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Zeltplatz

© Uwe Steinert

''Tentstation'': Die Camper müssen ihre Zelte abbrechen

Die "Tentstation" hinter dem Hauptbahnhof ist im Sommer ausgebucht – auch in ihrer letzten Saison. Bald wird auf dem ehemaligen Freibadgelände gebaut.

Manchmal sind Gewohnheiten dazu da, gebrochen zu werden. Dass man in Schwimmbädern nur schwimmen sollte, gehört eindeutig dazu – ein Freibad eignet sich nämlich auch wunderbar zum Campen. Ausprobieren kann man das noch diesen Sommer direkt hinter dem Hauptbahnhof in Moabit: Auf den Liegewiesen des ehemaligen Freibads am Poststadion haben momentan rund 300 Gäste ihre Zelte aufgeschlagen. Vier Berliner betreiben dort im vierten Jahr die „Tentstation“. Diese Saison wird für den einzigen innerstädtischen Campingplatz der Stadt jedoch die letzte sein. Ein Investor hat das Bad gekauft, die Zelte sollen einer Wellnessanlage Platz machen.

Noch liegt ein Hauch verwunschener Atmosphäre auf dem Gelände. Sprungbretter führen ins Leere, hohe Bäume geben hin und wieder den Blick auf den Fernsehturm frei. Eines der himmelblau gestrichenen steinernen Schwimmbecken ist mit Sand statt mit Wasser gefüllt, in der Morgensonne nutzen ein paar Beach-Volleyballer die Gelegenheit, zu spielen. „Das Projekt war von Anfang an als Zwischennutzung geplant“, sagt Macherin Jessica Zeller, als sie von ihrer Frühstücksschicht an der Freiluftbar kommt. „Trotzdem war es natürlich ernüchternd, als das Gelände nun tatsächlich verkauft wurde.“

Vor acht Jahren war das Freibad stillgelegt worden und in einen Dornröschenschlaf gefallen – bis 2005 Sarah Oßwaldt, eine der Gründerinnen des Zeltplatzes, ihre Diplomarbeit über Zwischennutzungen schrieb. „Eigentlich hatte ich damals vor, zum Zelten nach Kroatien zu fahren“, sagt die heute 31-Jährige. Daraus wurde nichts: Mit dem Gedanken an Camping im Kopf entdeckte sie das Bad und griff zusammen mit Zeller und zwei befreundeten Architekten zu.

Blätter und Gestrüpp wurden weggekarrt, die alten Freibad-Duschen aufgerüstet. Pünktlich zur Eröffnung des Hauptbahnhofs und der Fußball-WM 2006 konnten die ersten Camper ihre Zelte im Schwimmbad aufschlagen – und die gerade gegründete Firma schrieb bereits im ersten Jahr schwarze Zahlen. Mittlerweile arbeiten sieben Angestellte im Betrieb. Hinter der Bar beispielsweise steht heute ein Schotte – Jessica Zellers Freund, den sie kennengelernt hat, als sie hinter der Rezeption saß, und der mittlerweile in Berlin lebt.

Rund 20 000 Besucher aus mehr als 40 Ländern waren in den vergangenen vier Jahren Gäste der „Tentstation“. Die meisten sind junge Rucksackreisende aus dem europäischen Ausland, bei einem Kaffee am Beckenrand wehen französische, spanische, niederländische Sprachfetzen herüber. „Der geniale Ort“ sei das Beste am Campingplatz, sagt ein Nürnberger, der mit seinen beiden Kindern Urlaub macht. Eine Niederländerin schätzt die entspannte Atmosphäre und die zentrale grüne Lage. Nicht zuletzt die führt dazu, dass der Platz in den Sommermonaten ausgebucht ist.

Die „Tentstation“ ist allerdings nicht nur eine Bleibe für Touristen. Kostenlose Konzerte, Modenschauen im blauen Becken oder Filmreihen im eigenen Freiluftkino locken immer wieder auch Berliner. Die professionelle Improvisiertheit und der Retro-Schick der Bar machen das alte Schwimmbad auch fürs heimische Publikum interessant. „Wir haben das umgesetzt, was uns selbst gefällt“, sagt Jessica Zeller. „Auch für uns gibt es hier jeden Tag schöne Momente.“

Der Charme des Areals wird im Moabiter Sommerbad nach dieser Saison fernöstlichem Ambiente weichen müssen: Stefan und Markus Theune, die Betreiber des Kreuzberger Liquidroms, haben das Gelände vom landeseigenen Liegenschaftsfonds gekauft und wollen hier eine große Wellnesslandschaft namens „Amala Spa“ bauen. Zwischen 16 und 20 Millionen Euro sollen investiert werden, 2011 soll Eröffnung sein. Das Team der „Tentstation“ hat sich vorgenommen, trotzdem nicht auseinanderzubrechen. Die Betreiber sind auf der Suche nach neuen alten Orten in den Innenstadtbezirken, die sich für urbanes Campen eignen.

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