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Berlin: Staffellauf zum Fotolabor

Acht Freunde sollt ihr sein, vier für jedes Tor. Es geht ihnen offensichtlich gut, zufrieden prosten sie sich zu.

Acht Freunde sollt ihr sein, vier für jedes Tor. Es geht ihnen offensichtlich gut, zufrieden prosten sie sich zu. „Der da, das bin ich.“ Heinz Schwierzke fingert auf der alten Schwarzweiß-Aufnahme herum. Doch, eine Ähnlichkeit ist zu erkennen, auch nach 28 Jahren. Läufer für die Fotografen waren die acht, ein verantwortungsvoller Posten, damals bei der Fußballweltmeisterschaft 1974. Mit den Fotografen lauerten sie hinter den Toren des Berliner Olympiastadions. Wenn einer von denen ein gutes Bild geschossen hatte, drückte er den Film einem Boten in die Hand, der sprintete 200 Meter, gab die Filmrolle weiter, bis die Kette im Stadionlabor endete. Per Fotofax ging das Bild dann blitzschnell in alle Welt.

Das Leibchen der fliegenden Boten ist Heinz Schwierzke im Laufe der Jahre abhanden gekommen, aber die Armbinde, den Ausweis fürs Olympiastadion und das Foto der acht Bier trinkenden Läufer hat er noch. Persönliche Erinnerungsstücke an die aufregenden, ganz dem Fußball geweihten Tage zwischen Olympiastadion und dem alten Schweizerhof, wo damals das Pressezentrum war. Im Haus des Deutschen Sports, im Rahmen der Ausstellung zum Olympiastadion, sind sie jetzt zu sehen, als Sammlerstücke, die an die für den deutschen Fußball so glorreichen Zeiten erinnern.

Mit Blick auf die kommende Weltmeisterschaft in Japan und Südkorea hatte die mit der Stadionsanierung betraute Walter Bau-AG und die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berliner aufgerufen, ihre Erinnerungsstücke an die WM ’74 herauszukramen und für eine Ausstellung zur Verfügung zu stellen. 15 Fußballenthusiasten durften jetzt ihre Glanzstücke ausbreiten. Sogar Sportsenator Klaus Böger war zur Eröffnung gekommen und schwelgte in Erinnerungen, dazu Jürgen Sparwasser, der damals als Stürmer in der Nationalmannschaft der DDR das legendäre 1 : 0 gegen die Bundesrepublik erzielte und noch einmal alle Spekulationen, die Niederlage von Helmut Schöns Elf sei vielleicht nur taktisch gewesen, wegwischte: „Wir waren einfach besser.“ Auch seinen alten Kontrahenten Sepp Maier hatte man eingeladen, der aber leider passen musste. Er plagt sich gerade mit Herz-/Kreislaufproblemen.

Nicht alle der Leihgeber können sich wirklich rühmen, Zeitzeuge gewesen zu sein. Vinzenz Pflücker jedenfalls war nicht selbst im Stadion, war in diesen Wochen, wenn er sich recht erinnert, nicht mal in Berlin. Aber dass irgendwo noch das „Kicker“-Sonderheft rumliegen musste, da war er sich sicher. In der Behörde für Stadtentwicklung, wo er arbeitet, wusste man von seiner Fußball-Leidenschaft und sprach ihn an. Das Heft hängt nun in einer Reihe mit Sondermarken sogar aus dem Scheichtum Ajam, zusammengetragen im Philatelisten-Club Wedding 1919. Ausgestellte Eintrittskarten zu den Berliner WM-Spielen nennen als Spielort ausdrücklich West-Berlin, beiläufiges Indiz, wie hochpolitisch die Spiele damals auch waren. „Tip“ und „Tap“, die offiziellen WM-Maskottchen, vertragen sich auf dem Polyesterkissen aber noch immer prima, paarweise und lebensgroß sind auch Wolfgang Overath und Jürgen Grabowsky vertreten, der „Kicker“ hatte sie zum Ausklappen beigelegt. Den Sonderbrief des Deutschen Fußballbundes gibt es gleich zweimal, mit Beckenbauer-Autogramm und ohne. Dazu eine WM-Jacke, und sogar ein privater Super-Acht-Film über ein WM–Spiel im Stadion ist als Videoeinspielung dabei.

„Eine wunderschöne Zeit“, schwärmt Heinz Schwierzke, der alte Fotobote, noch heute. Sechs seiner Mitläufer spielten damals bei den Alten Herren von Tennis Borussia, einen kannte er über die Arbeit bei der BfA, der holte ihn in die Runde. Mit Bussen wurden sie immer vom Pressezentrum ins Stadion gebracht, sogar seine Frau durfte einmal mit.

Zum Pokalendspiel am Sonnabend ist er aber nicht mehr gegangen, derlei Vergnügungen werden mit den Jahren doch etwas beschwerlich. Aber sein Sohn, der war da. Andreas Conrad

Sonderschau „Fußball-Weltmeisterschaft 1974“, bis Oktober geöffnet, als Teil von „Olympiastadion – Die Ausstellung“. Haus des Sports, Hanns-Braun-Straße/Adlerplatz in Charlottenburg. Mi – So 10 bis 18 Uhr.

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