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Berlin: Starke Bürgermeister für die Bezirke

SPD will Stadträte künftig durch Koalitionen wählen lassen. Opposition soll Minderheitenschutz erhalten

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Berliner SPD will das „politische Bezirksamt“ einführen – aber mit einer Minderheitenbeteiligung der Opposition. Außerdem soll die Stellung der Bezirksbürgermeister deutlich gestärkt und „politisiert“ werden. Darauf hat sich die SPD- interne Arbeitsgruppe zur „Zukunft des Verhältnisses zwischen Land und Bezirken“ geeinigt. Der Geschäftsführende Landesvorstand der Sozialdemokraten hat dem Grundsatzpapier, das dem Tagesspiegel vorliegt, bereits zugestimmt. Der Vorschlag lehnt sich an ähnliche Modelle in süddeutschen Kommunen an.

Bisher werden die Bezirksämter nach dem Proporz – entsprechend der Stärke der Fraktionen in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) – besetzt. Nur die Bezirksbürgermeister werden durch politische Mehrheiten in der BVV gewählt, aber sie haben keine herausragende Stellung im Bezirksamt. Ganz zu schweigen vom öffentlichen Bekanntheitsgrad. Es gibt kaum prominente, profilierte Bürgermeister wie etwa Heinz Buschkowsky (SPD) oder Marlies Wanjura. Und die Bezirke fühlen sich vom Senat unter Wert behandelt; das gilt vor allem für die Zuweisung der Haushaltsgelder und die häufigen Senatseingriffe in laufende Bauplanungsverfahren.

Deshalb machen sich seit Monaten alle Parteien Gedanken über das Verhältnis zwischen Land und Bezirken, die nach der Einwohnerzahl beachtliche Großstädte sind, allerdings innerhalb der Einheitsgemeinde Berlin, die es seit 1920 gibt. Anlass für neue Planspiele ist aber nicht nur die Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen, sondern auch ein Artikel in der Landesverfassung, der am 1. Januar 2010 ausläuft. Dieser Artikel garantiert die Zusammensetzung der Bezirksämter nach dem Parteienproporz, mit Ausnahme der Bürgermeister. Wird diese Regelung nicht verlängert, können auch die Stadträte nach den BVV-Wahlen 2011 durch politische Koalitionen gewählt werden.

Die SPD schlägt nun einen Mittelweg vor, um die Vorteile des „politischen Bezirksamts“ (klare Verantwortung, deutliche kommunalpolitische Linie) mit der Tatsache zu vereinigen, dass die Bezirksämter keine eigenständigen Regierungsorgane, sondern Teil der Landesverwaltung sind. Sie sind also zum überparteilichen Handeln wenigstens moralisch verpflichtet. Nach dem SPD-Modell bildet sich nach einer Wahl in jeder BVV eine politische Koalition: Rot-Rot, Schwarz-Grün, Ampel, Jamaika usw. Erst danach wird – entsprechend der Sitze, die „Koalition“ und „Opposition“ in der BVV haben – die Zahl der Bezirksamtsmitglieder berechnet, die beiden Gruppen zustehen.

So wird sichergestellt, dass die politische BVV-Mehrheit stets das Bezirksamt dominiert. In jedem Fall soll nicht nur der Bezirksbürgermeister, sondern auch sein Stellvertreter von der Koalitionsmehrheit gestellt werden. Andererseits wird bei diesem Berechnungsverfahren zumindest die größte Oppositionspartei am Bezirksamt beteiligt.

Als „politische Spitze des Bezirks“, heißt es im SPD-Papier, sollten die Bürgermeister deutlich gestärkt werden: Mit einem Vetorecht gegenüber dem Bezirksamt und einem eigenen Antrags- und Vorschlagsrecht in der BVV. Und mit einem Aufschubrecht, wenn der Bürgermeister mit einem Bezirksamtsbeschluss politisch oder juristisch nicht einverstanden ist. Außerdem stehen dem Bezirksbürgermeister die zentralen Ressorts Personal und Finanzen zu.

Das neue Papier enthält außerdem Vorschläge für eine gründliche Reform der Bezirksfinanzen und die Einschränkung des Eingriffsrechts des Senats in die bezirkliche Bauleitplanung. In der SPD-Arbeitsgruppe sitzen Innensenator Ehrhart Körting, Finanzsenator Thilo Sarrazin, Abgeordnete, Bezirkspolitiker und Detlef Raphael, Bundesgeschäftsführer der „Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik“. Nach der parteiinternen Debatte sollen die Vorschläge am 21. Juni vom SPD-Landesparteitag beschlossen werden.

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