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Berlin: Stasi-Arzt: Dr. Dr. Horst B. ist sich keiner Schuld bewusst

"Ich habe immer mit meinen Patienten über die Behandlung gesprochen", erklärte der Ex-Oberstleutnant des MfS und Psychiater Dr.Dr.

"Ich habe immer mit meinen Patienten über die Behandlung gesprochen", erklärte der Ex-Oberstleutnant des MfS und Psychiater Dr.Dr. Horst B. am Freitag vor dem Landgericht. Knapp einen Monat vor der Verjährung mittelschweren DDR-Unrechts muss sich erstmalig ein MfS-Angehöriger vor einem Berliner Gericht wegen missbräuchlicher Anwendung von Psychopharmaka gegen ausreisewillige DDR-Bürger verantworten. Die Staatsanwaltschaft legt dem 60-jährigen Facharzt für Neurologie und Psychiatrie zur Last, im Sommer 1980 dem Ehepaar Klaus und Waltraud K. im Haftkrankenhaus des MfS in Hohenschönhausen bewusst kontraindizierte Psychopharmaka verabreicht zu haben.

Klaus und Waltraud K. waren am 31. Mai 1980 nach mehrfacher Ablehnung ihrer Ausreiseanträge und der Ankündigung eines Hungerstreiks in Magdeburg festgenommen worden. Durch die Festnahme erlitt Klaus K., der ohnehin gesundheitliche Probleme hatte, einen Nervenzusammenbruch und wurde in das MfS-Haftkrankenhaus verlegt. Dort soll der damals als Psychiater tätige Horst B. dem Ehemann eine Kombination aus zwei unterschiedlich wirkenden Beruhigungsmitteln verabreicht haben, die medizinisch nicht indiziert gewesen seien. In Absprache mit Horst B., so die Anklage weiter, soll der Häftling unter Einfluß dieser Medikamente an mehreren Tagen stundenlang verhört worden sein.

Auch Waltraud K., die wegen Nahrungsverweigerung in das Haftkrankenhaus eingeliefert worden war und durch die von Horst B. verabreichten Psychopharmaka geistige Verwirrungszustände erlitten hatte, soll im Juni 1980 durch MfS-Offiziere an mehreren Tagen stundenlang vernommen worden sein.

Horst B. ist sich keiner Schuld bewusst und besteht darauf, dass die von ihm eingesetzten Medikamente keineswegs kontraindiziert gewesen seien. Es gebe genügend Ärzte, die der Auffassung seien, dass man die von ihm benutzten Neuroleptika in der von ihm praktizierten Art einsetzen könne, verteidigte er sich. Ohnehin könnten allenfalls Mediziner den Einsatz der besagten Medikamente beurteilen. Außerdem bestritt der Arzt, Patienten gegen ihren Willen mit Medikamenten behandelt zu haben. Auch die Behandlung von Klaus und Waltraud K. sei "mit geeigneten Medikamenten" durchgeführt worden und "medizinisch notwendig" gewesen.

Dem widersprach Klaus K. am Freitag vor Gericht. Man habe ihm vor jeder Vernehmung Spritzen gegeben, sagte der 61-jährige Mann, und zwar ohne irgendwelche Erklärungen. Darüber hinaus habe er morgens Tabletten bekommen, nach deren Einnahme er sich "wie benebelt" gefühlt habe. Ein Protest gegen die Medikation sei ihm sinnlos erschienen. "Man fühlte sich von der Stasi entmündigt. An Widerstand gegen die Medikamente war unter diesen Umständen überhaupt nicht zu denken", sagte er.

Die 57-jährige Waltraud K. sprach in diesem Zusammenhang von Folter. Durch die Medikamente - Horst B. hatte ihr Neuroleptika verabreicht - habe sie auch Wochen nach der Haft nicht gewusst, wo sie wohne oder wer ihre Familie sei. Sie leide heute noch unter Albträumen und Platzangst. - Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt.

Peter Murakami

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