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Stasi-Unterlagen: Akt um die Akten

Zwischen der Stasi-Unterlagen-Behörde und der Berliner Polizei ist es zu einem heftigen Streit über den Umgang mit Stasi-Akten gekommen. Dabei geht es um die Frage, ob die Stasi-Unterlagen-Behörde die Polizei auf einen vorhandenen Aktenfundus hätte aufmerksam machen müssen.

Zwischen der Stasi-Unterlagen-Behörde und der Berliner Polizei ist es zu einem heftigen Streit über den Umgang mit Stasi-Akten gekommen. Dabei geht es um die Frage, ob die Stasi-Unterlagen-Behörde die Polizei auf einen vorhandenen Aktenfundus hätte aufmerksam machen müssen.

Behördenchefin Marianne Birthler hatte in den vergangenen Tagen bei verschiedenen Gelegenheiten auf den Bestand von 180 Bänden an Unterlagen zur West-Berliner Polizei hingewiesen. In einer Mitteilung der Stasi-Unterlagen-Behörde vom 27. Mai war schon vom „Objektvorgang Polizei von West-Berlin“ die Rede. Birthler äußerte sich danach verwundert darüber, dass sich niemand für den Aktenbestand interessiere. Polizeipräsident Dieter Glietsch zeigte sich daraufhin in einem Schreiben an Birthler erstaunt über ihre Äußerung und die damit verbundene Kritik an der Polizei, die sich angeblich bis zum Fall Kurras nicht für die Stasi-Belastung der Behörde interessiert habe. Der Streit gipfelte in einem Bericht der „Berliner Zeitung“ vom Mittwoch. Darin hieß es unter der Überschrift „Polizei unterschlägt Stasi-Wissen“, es habe drei verschiedene Forschungsanträge zum Einfluss der Stasi auf die West-Berliner Polizei gegeben. Erkenntnisse seien „systematisch unterschlagen“ worden.

Zwei der drei aufgeführten sogenannten Forschungsvorhaben hatten nur indirekt mit der Polizei zu tun. Das eine kam vom ehemaligen Polizeipräsidenten Klaus Hübner. Er soll sich für die Akten von einigen namentlich bekannten Polizei-Kollegen interessiert haben. Unklar ist, was daraus wurde – Hübner war am Mittwoch nicht zu erreichen. Das zweite Forschungsvorhaben meldete ein ehemaliger Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) an. Es verlief, so der Berliner GdP-Vorsitzende Eberhard Schönberg, im Sande.

Der eigentliche Streit dreht sich um das dritte Forschungsvorhaben. Birthler erklärt dazu, im Jahr 2000 sei ein Forschungsantrag zum Thema „Einfluss des Ministeriums für Staatssicherheit auf die Kriminalpolizei Westberlins“ gestellt worden. Absender des Auftrags sei der Polizeipräsident in Berlin gewesen. „Als Verantwortlicher hatte ein Abteilungsleiter im Landeskriminalamt Berlin den Antrag unterzeichnet. Die eigentliche Forschungstätigkeit wurde von einem Beauftragten durchgeführt.“ Der Mann habe rund 5500 Aktenseiten zur Einsicht erhalten. „Seit Mai 2002 stellte der Forschungsbeauftragte keine weiteren Rechercheanfragen“, heißt es in Birthlers Erklärung. Vor allem die Aufschlüsselung der Klarnamen sei nicht mehr verfolgt worden.

Zumindest zeitlich hängt die Einstellung des Forschungsprojekts mit dem Amtsantritt von Dieter Glietsch im Berliner Polizeipräsidium zusammen. Glietsch wurde Mitte Mai 2002 vom Abgeordnetenhaus gewählt. Der Leiter der Polizeipressestelle, Thomas Goldack, teilte am Mittwoch in einer Erwiderung auf den Bericht der „Berliner Zeitung“ mit, es treffe zwar zu, dass ein Leitender Kriminaldirektor im Jahr 2000 für einen „pensionierten Kriminalbeamten“ Akteneinsicht beantragt habe. Doch sei der Polizei „nicht bekannt“, welche Akten der pensionierte Forscher eingesehen habe. Dieser habe seine Erkenntnisse in einem Beitrag für ein 2005 erschienenes Buch über die Berliner Kriminalpolizei zusammengefasst. Außerdem erklärte Goldack, Glietsch habe von den 180 Stasi-Aktenbänden über die West-Berliner Polizei erst am 19. Juni erfahren.

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) gab Glietsch am Mittwoch im Verfassungsschutz-Ausschuss Rückendeckung. Auf den Zeitungsbericht angesprochen, erklärte Körting: „Es gibt kein von der Polizei bezahltes Forschungsvorhaben“ zur Frage des Stasi-Einflusses, „es gab auch keins.“ Völlig korrekt: Schließlich war der Mann, der sich in den Jahren 2000 bis 2002 mit den Stasi-Einflüssen befasste, ein pensionierter Beamter. wvb.

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