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Berlin: Statt-Auto will die Pleite im Alleingang abwenden Für die Carsharing-Firma gibt es zwei Kaufangebote,

aber der Vorstand will das Unternehmen selbst retten

Es ist der letzte Rettungsvorschlag, einer aus den eigenen Reihen, der die Kleinaktionäre zu erbosten Zwischenrufen veranlasst. „Warum geben wir hier einem neu gewählten Vorstand den Raum für eine so ausführliche Selbstdarstellung, während die anderen beiden Anbieter nur zehn Minuten Zeit hatten?“, will einer wissen. Ein anderer fragt die auf dem Podium versammelte Führungsetage des Berliner Carsharing-Unternehmens Statt-Auto, ob sie denn keine problematische Interessenverquickung befürchte, „wenn ein gerade erst eingestiegener Vorstand einen Sanierungsplan vorlegt, von dem eine Firma finanziell profitiert, die er selbst betreibt“. Gemeint ist Udo Mielke, der vor gut einem Monat Martin Stutzbach als Vorstand der Statt-Auto ablöste.

Mielke trat an, um die finanziell stark angeschlagene Aktiengesellschaft vor dem Aus zu retten. „Bis Ende des Jahres können wir schuldenfrei sein“, sagte er gestern auf der außerordentlichen Hauptversammlung des Berliner Carsharing-Unternehmens. Sein Plan: 40000 Euro im Jahr könne die AG, deren Aktien derzeit minus 31 Cent pro Stück wert sind, alleine durch „Strukturanpassungen“ einsparen. Vor allem indem man billigere Autos miete und Synergieeffekte dadurch erziele, „dass man die Öffentlichkeitsarbeit zusammen mit anderen Firmen betreibt und sich die Kosten teilt“. Den Kritikern missfällt, dass eine dieser Firmen der Car-Sharer „Book’n’Drive“ aus dem Rhein- Main-Gebiet ist, dem Mielke vorsteht. Darin sehen sie den Interessenkonflikt.

Eine Stunde bevor es laut wurde, schien der Verkauf von Statt-Auto beschlossen. Zwei Firmen hatten im ehemaligen Umspannwerk Ost ihre Angebote vorgestellt. Shell Drive, eine Tochter des Mineralölkonzerns Shell, hatte für 300000 Euro eine 95-Prozent-Beteiligung an der AG gefordert. Die holländische Firma Greenwheels hatte 400000 Euro für eine 75-prozentige Beteiligung geboten – „genug, um die Satzung des Vereins ändern zu können“, wie Greenwheels-Eigner Jan Borghius sagte.

Die etwa 50 noch anwesenden Aktionäre und Autonutzer erwarteten für den Nachmittag eine Empfehlung des Vorstandes, welchem der beiden Angebote man zustimmen solle. Dass die Statt-Auto-Führung noch eine dritte Variante präsentierte, überraschte viele. Philipp Thomas, der Aufsichtsratsvorsitzende der AG, sagte dem Tagesspiegel in der Mittagspause: „Das Angebot von Shell Drive ist bisher keines. Der Preis ist viel zu niedrig – und mit einem Risiko behaftet, das den Kaufpreis noch drücken könnte.“ Das Angebot von Greenwheels hingegen lasse befürchten, „dass etwa 700 unserer 1400 Aktionäre schlecht abschneiden würden“. Nach der Pause sagte Thomas vor den Aktionären: „Wir haben zwei Vorschläge gehört. Bis jetzt bin ich neutral gewesen.“ Dann kündigte er den Vorstand Mielke an und dessen Vorschlag, wie Statt-Auto doch noch zu retten sei, „ohne dass wir verkaufen müssen“.

Statt-Auto war im Januar in Bedrängnis geraten, als man in erster Instanz einen Prozess gegen eine Auto-Wartungsfirma verloren hatte. Diese habe zu Recht 150000 Euro von Statt-Auto gefordert, befanden die Richter. „Damit wäre die AG überschuldet“, sagte Vereinsmitglied Friedhelm Blume damals. Die AG hatte erstmals seit ihrem Start im Jahr 1988 schwarze Zahlen vor Augen.

Die eigentliche Entscheidung über die Zukunft des Carsharing-Unternehmens fiel gestern noch nicht. Eine Sparmaßnahme gab der Vorstand gestern aber bekannt: Ex-Vorstand Martin Stutzbach erhält keine Abfindung. Er berät seinen ehemaligen Arbeitgeber noch einige Monate lang. „Zu geringen Bezügen“, wie es hieß.

Marc Neller

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