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Berlin: Steffels Zeit an der Spitze läuft ab

Nur noch eine Minderheit in der CDU unterstützt den Fraktionschef / Was macht Stölzl? Spekulationen um Diepgen

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der CDU-Fraktionschef Frank Steffel wird sich nicht mehr lange im Amt halten können. In der Union heißt es, es sei nicht mehr die Frage, ob der frühere Spitzenkandidat gehen müsse, sondern wann. Unter den 35 Abgeordneten findet Steffel nur noch bei einer Minderheit Unterstützung. Jüngste Umfragen, die der Berliner CDU für die Bundestagswahl am 22. September ein miserables Ergebnis vorhersagen, haben den Druck auf den umstrittenen Politiker weiter verstärkt.

Im August soll Steffel schon fast bereit gewesen sein, den Fraktionsvorsitz aufzugeben. Aber jetzt will er kämpfen und lädt fraktionsinterne Gegner zu Einzelgesprächen ein, um „gut Wetter“ zu machen. Doch eine Chance, über seine politische Zukunft selbst zu entscheiden, scheint er nicht mehr zu haben. Nach den Sommerferien positionierten sich erstmals CDU-Abgeordnete gegen ihn, die bis dahin nicht als Steffel-Kritiker galten. Der Fraktionsvorsitzende muss damit rechnen, dass ein schlechtes Abschneiden des CDU-Landesverbands bei der Bundestagswahl zuerst ihm angelastet wird. Seit einem Jahr ist Steffel bei Meinungsumfragen der mit Abstand unbeliebteste Politiker in der Stadt. „Er fürchtet sich vor einem Putsch“, verlautet aus der Fraktionsspitze, die ihm nur teilweise loyal zur Seite steht.

Diejenigen, die Steffel austauschen wollen, sprechen scherzhaft vom „Projekt 18“. So viele Abgeordnete reichen aus, um dem Fraktionsvorsitzenden das Vertrauen zu entziehen. Ob dies unmittelbar nach der Bundestagswahl geschieht, ist noch nicht entschieden. Besonnene Steffel-Gegner neigen dazu, die Neuwahl der Orts- und Kreisvorstände zu Beginn des nächsten Jahres abzuwarten. Dann könnte die erwartete Erneuerung beim CDU-Führungspersonal mit einer geordneten Ablösung des Fraktionschefs verbunden werden.

Es wird sogar überlegt, Steffel eine andere Aufgabe in der Union anzubieten. Welche das sein könnte, ist allerdings völlig unklar. Der CDU-Landesvorsitz oder die Spitzenkandidatur für die Abgeordnetenhauswahl 2006 kommen nicht in Frage. „Steffel hat auf absehbare Zeit keine Zukunft“, sagt ein in Ehren grau gewordener Parteimann, der dem jungen Fraktionschef väterlich zugetan ist. Wer könnte die CDU-Fraktion führen? Immer werden die gleichen n genannt: als „kleine Lösung“ der Haushalts- und Verkehrsexperte der Union, Alexander Kaczmarek. Als zukunftsweisende Lösung der ehemalige Senator Peter Kurth oder die Bildungs- und Kulturpolitikerin Monika Grütters. Beide könnten das Amt nutzen, um sich für eine Spitzenkandidatur aufzubauen. „Kurth wäre bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen“, ist in der Fraktion zu hören.

CDU-Landeschef Christoph Stölzl will die Vorgänge in der Fraktion nicht kommentieren. Während aber Steffels Ablösung nur noch eine Frage der Zeit ist, befürchten die Anhänger Stölzls, dieser werde 2003 nicht wieder für das Amt des Landesvorsitzenden kandidieren. Ihm wird nachgesagt, Kultur-Staatsminister in einer unionsgeführten Bundesregierung werden zu wollen. Aber längst haben mächtige Landesverbände wie Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg Ansprüche auf diesen Posten angemeldet. Sollte die CDU-Bundespartei Stölzl in Zukunft nicht genügend beachten, könnte er bald die Lust an der Kärrnerarbeit in der Landes-CDU verlieren. Dort pflegt er zurzeit engagiert den bürgerlich-liberalen Parteinachwuchs. Im Frühjahr 2003 wird der Landesvorstand der Union neu gewählt. Bis dahin muss Stölzl entscheiden, ob er in der Politik bleibt oder lieber noch ein Buch schreibt.

Zur Zeit machen in der Union außerdem Gerüchte über neue politische Pläne des früheren CDU-Landeschefs Eberhard Diepgen die Runde. Angeblich bereite sich Diepgen auf ein Comeback vor. Worum es dabei gehen soll, bleibt offen. Diepgen sagte dazu, er wolle das „ weder bestätigen noch dementieren“. Aber er fügte hinzu: „Manchmal sehnt sich doch jeder nach geordneten Zeiten.“

„Völlig absurd“, meint dazu der Berliner CDU-Spitzenkandidat Günter Nooke. „Das ginge schief“, sagt Ex-Finanzsenator Peter Kurth, „ganz unrealistisch“ der CDU-Rechtspolitiker Michael Braun. „Ein Zweckgerücht, um Kinder zu erschrecken“, frotzelt gar der Bezirksstadtrat Gerhard Lawrentz.

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