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Von einer größeren Wohnung in eine kleinere umziehen - und danach weniger Miete zahlen - ist in Berlin gar nicht einfach.

© dpa

Steigende Mieten in Berlin: Mieterverein will Wohnungstausch erleichtern

Die Mieten in Berlin steigen weiter. Neu gebaut werden vor allem Eigentumswohnungen, das geht am Bedarf von Geringverdienern vorbei. Der Mieterverein fordert nun, den Tausch zu erleichtern.

Einer der kürzesten Witze über Berlin geht so: „Ich suche eine günstige Wohnung.“ Kaum ein Tag vergeht ohne neue Berichte über den Anstieg der Mieten und Kaufpreise für Berliner Immobilien. Wer eine Wohnung im vergangenen Jahr gesucht hat, musste im Durchschnitt neun Prozent mehr Miete dafür bezahlen als ein Jahr zuvor – und zwar 8,02 Euro je Quadratmeter und Monat im Durchschnitt. Neben dem Erwartbaren überrascht die Studie allerdings vor allem mit dieser klaren Botschaft: An der Nachfrage geht der Bauboom weitgehend vorbei. Der Berliner Mieterverein hat jetzt eine Idee entwickelt, wie die Versorgung der vielen Berliner mit überschaubarem Einkommen aufgebessert werden kann.

Mieterverein will Bedingungen für Wohnungstausch verbessern

„Wir benötigen wie in den 1960er Jahren gesetzliche Regelungen, damit Mieter untereinander ihre Wohnung ohne Änderung der Mietkonditionen tauschen dürfen“, sagt Berlins Mietervereinschef Reiner Wild. So könnte eine Kleinfamilie mit Neugeborenem ihre Zweizimmerwohnung gegen die Vierraumwohnung einer inzwischen allein lebenden Seniorin tauschen. Auf die Idee brachte ihn ein Wohnungsunternehmer, der seine größeren Wohnungen eher an Familien und Paare vermiete und so in seinem Wohnungsbestand mehr Menschen unterbrachte als zuvor. Der Immobilienmann rechnete vor, dass er ohne diese „Belegungspolitik“ für die extra untergebrachten Menschen sonst 900 zusätzliche Wohnungen hätte bauen müssen. „Wenn das im ganzen Stadtgebiet gelingen würde, könnten wir uns den Bau von tausenden Wohnungen sparen“, zeigt sich Wild überzeugt.

Bauboom in Berlin reicht nicht um Nachfrage zu bedienen

Sinnvoll wäre es, denn sicher ist: Der Bauboom in Berlin reicht nicht aus, um die Nachfrage nach Wohnungen zu bedienen – und die meisten können sich die neu gebauten Immobilien nicht leisten. Die Wohnungsexperten haben in Berlin zwar „250 Projekte identifiziert“, wodurch bis zum Jahr 2016 „rund 18 000 Wohnungen“ neu entstehen sollen. Sollte aber die Zahl der Haushalte weiter so stark wachsen – zuletzt um 20 000 im Jahr – wächst die Wohnungsnot weiter kräftig. Schwierig ist es vor allem für Haushalte mit geringen Einkommen. Denn „nach wie vor entstehen Wohnungen hauptsächlich im Eigentumsbereich“. Aber nicht jeder kann es sich leisten, Wohneigentum zu erwerben. Für diese Menschen böte eine Tauschbörse eine Chance, sich auch bei Familienzuwachs zu verändern – ohne gleich doppelt so viel Miete zu zahlen.

Bevölkerung wächst, Wohnungen fehlen

Zwar wird in allen zwölf Bezirken kräftig gebaut, am meisten allerdings in der Innenstadt: Über 4600 Wohnungen sind in Mitte geplant oder in Bau. An zweiter Stelle steht der Bezirk Lichtenberg, wo allerdings mehr als die Hälfte der neu entstehenden Objekte Einfamilienhäuser sind.

Für Investoren sind außerdem Friedrichshain-Kreuzberg sowie Pankow interessant, wo sie jeweils mehr als 2000 Wohnungen errichten. „Wenn das Bevölkerungswachstum anhält, wird sich jedoch trotz des Neubaus die Anspannung am Markt vergrößern“, so CBRE–Wohnungsmarktexperte Michael Schlatterer.

Berliner werden aus dem Zentrum gedrängt

Dass die Berliner gerne umziehen, zeigt der Marktbericht, und auch das: Dass sie in kleinen Schritten aus dem Zentrum herausgedrängt werden. Aus der „Innenstadt“, innerhalb des S-Bahn-Ringes, zogen im Jahr 2012 fast 14 000 Menschen mehr in andere, weiter außen gelegene Stadtteile weg als in der gleichen Zeit vom Rand ins Zentrum. Die meisten Umzüge führen den Marktexperten zufolge in die nächst ferner gelegenen Quartiere. Da ist es noch etwas billiger, aber das Band zum alten Kiez ist noch nicht zerrissen. Tagesspiegel-Leser kennen es von unseren Berichten aus diesen Stadtgebieten: Nord-Neukölln und Lichtenberg sind Profiteure dieser Entwicklung, dort zieht es die „Clubber“ hin, die sich Kreuzberg und Friedrichshain nicht mehr leisten können.

Viele Berliner ziehen an den Stadtrand.
Viele Berliner ziehen an den Stadtrand.

© TSP/Fabian Bartels

Dann gibt es die, wie man so sagt, Nestbauer. Sie finden in Britz, Buckow, im Pankower Norden oder Süden von Treptow-Köpenick bezahlbare Wohnungen mit Gärtchen oder Häuschen im Grünen.

Auch Wohnungen zum Kauf werden teurer

Allerdings ebenso wenig verschont von den steigenden Preisen bleibt, wer eine Wohnung kaufen möchte: Im Durchschnitt fordern Verkäufer von Eigentumswohnungen 2474 Euro je Quadratmeter, auch das sind 9,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Wer gleich ein ganzes Mietshaus erwirbt, muss rund 1472 Euro je Quadratmeter aufbringen, ein Plus von 9,1 Prozent. Mit Abstand am teuersten in der Stadt sind Eigentumswohnungen in Mitte, für die je Quadratmeter 3462 Euro im Durchschnitt bezahlt werden müssen (plus 2,9 Prozent). Auch deshalb zieht es viele Haushalte raus.

Nicht ganz so erschütternd sind die hohen Mieten und Kaufpreise im Zentrum offenbar für viele Neuberliner: Fast jeden Zweiten von ihnen zieht es dem Bericht zufolge in die Cityquartiere. Dabei liegen die Mieten für die im Netz angebotenen Wohnungen dort im Schnitt bei 9,95 Euro je Quadratmeter und Wohnung – und toppen dem Bericht zufolge schon die Mieten in Köln (9,25 Euro) und Düsseldorf (9,07 Euro). Vielleicht sind es aber auch die Neuberliner aus München, die klaglos die hohen Mieten bezahlen. Denn dort kostet eine Citywohnung noch weitaus mehr: 13,67 Euro je Quadratmeter und Monat.

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