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Berlin: Steigflug über der Einöde

Bisher gibt es am Schlossplatz nur Luftschlösser. Pro & Contra: Soll der Aussichtsballon künftig dort abheben?

Von Stefan Jacobs

Die Debatte um die Zukunft des Aussichtsballons vom Potsdamer Platz ist längst fester Bestandteil des Berliner Lebens. Doch während die Diskussion bisher aufgeblasener schien als ihr Gegenstand, wird es jetzt ernst: Ende November läuft die Genehmigung für den „Hi-Flyer“ definitiv aus, weil das Grundstück zwischen Leipziger und Voßstraße bebaut werden soll. Der heliumgefüllte Ballon, der seit Ostern 2000 fast 200 000 Menschen 150 Meter in die Lüfte hob, muss umziehen.

Viele haben dabei mitzureden, alle wollen ihn in der City halten. Aber nicht jeder sähe ihn gern auf dem Schlossplatz, wo die Betreiber am liebsten hinziehen würden. Dessen Ensemble aus gestapelten Baucontainern, herangekarrtem Topfrasen, freigeschaufelten Schlossresten und eingezäuntem BKA-Luftschloss versprüht zurzeit den Charme eines anatolischen Provinzstädtchens, auf dem gerade der erste Rummel nach einem schweren Erdbeben gastiert.

Ein Sprecher der Betreibergesellschaft „Air Service Berlin“ bezeichnet das Areal als „sehr schönen Standort“ und den Ballon dort als „kostengünstige Zwischennutzung, bevor der Schlossbau beginnt“. Doch darauf wollen sich weder Land noch Bezirk einlassen, die den Standort genehmigen müssen. „Der Schlossplatz ist bei uns nie in der Diskussion gewesen, und Senator Strieder möchte den Ballon dort auch nicht“, heißt es in der Stadtentwicklungsverwaltung. Mit einem weiteren Provisorium auf dem historisch bedeutsamen Platz sei „weder dem Betreiber noch uns gedient“. Weil der Ballon aber im Zentrum bleiben solle, „können wir uns den Großraum Alexanderplatz als Alternative vorstellen.“

Das können auch die Betreiber, nicht aber Mittes Stadtentwicklungsstadträtin Dorothee Dubrau (Grüne). „Auf dem Alex geht’s wirklich nicht – aus Sicherheitsgründen.“ Zwischen Straßenbahngleisen und häufigen Großveranstaltungen sei kein Platz für den Ballon, weshalb man andere Standorte vorgeschlagen habe: Alexanderstraße, Nordbahnhof, Stadion der Weltjugend, Rehberge. „Aber die Betreiberfirma hat alle abgelehnt.“

So deutlich wollen die Betreiber das nicht sagen. Aber in der Mitte von Mitte sollte es schon sein. Viel Platz brauche der Ballon nicht, und ein neues Provisorium sei auch kein Problem: „Alles, was länger als ein Jahr ist, können wir wirtschaftlich vertreten.“ Wie wichtig der Ballon als Touristenmagnet sei, sehe man an seiner „Bedeutung, die mittlerweile von Amerika bis Japan reicht“. Auch gehörten Höhenflüge in- und ausländischer Politiker schon zum Standardprogramm; allein in der vergangenen Woche habe man eine chinesische Regierungsdelegation und den CDU-Bundestagskandidaten Volker Liepelt auffliegen lassen.

Kultursenator Thomas Flierl (PDS), der die Sache zwar nicht zu entscheiden, aber als Kultursenator quasi Anhörungsrecht in Geschmacksfragen hat, hält den Schlossplatz allerdings auch für ungeeignet. „Man sollte dort lieber aufräumen, anstatt noch etwas herzuholen“, sagt der Senator, der einst als Stadtrat schon gegen den Standort am Potsdamer Platz protestiert hatte. Aber jetzt sei er da leidenschaftslos. Damit dürfte er die Ausnahme bleiben, wenn die Umzugsdebatte erst richtig beginnt. In dreieinhalb Monaten muss der Fall ausdiskutiert sein.

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