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Das brennende Auto des Linken-Politikers Ferat Kocak im Februar 2018 - eine Serie von Anschlägen erschüttert seit Jahren Neukölln.

© Ferat Kocak/Die Linke Berlin/dpa

Update

Steine auf Polizisten, Angriffe auf Ausländer: Berlin hat die meisten linken und rechten Gewalttaten bundesweit

Nirgendwo sonst im Land gibt es so viel Gewalt von Links- und Rechtsextremisten. Das steht im neuen Verfassungsschutzbericht. Auch Brandenburg ist vorne dabei.

Berlin weist im bundesweiten Vergleich im Verhältnis zu seiner Einwohnerzahl die meisten Gewalttaten von Linksextremisten und Rechtsextremisten auf. Das geht aus einer Aufstellung im Verfassungsschutzbericht 2019 des Bundesinnenministeriums (BMI) hervor, der am Donnerstag veröffentlicht wurde.

Demnach wurden 205 Gewalttaten von Linksextremisten verübt, womit das kleine Bundesland Berlin sogar in absoluten Zahlen auf dem ersten Platz vor dem größten Bundesland Nordrhein-Westfalen (200 Taten) sowie Sachsen und Baden-Württemberg liegt.

Laut der schon länger vorliegenden Auswertung der Berliner Polizei geschahen rund die Hälfte der Taten bei Demonstrationen wie etwa am 1. Mai, als es zu Angriffen mit Flaschen- und Steinwürfen auf die Polizei kam.

Auch rund um teilweise besetzten Häuser in der Rigaer Straße in Friedrichshain werden immer wieder Polizisten mit Steinwürfen angegriffen. Der Berliner Verfassungsschutz spricht von 980 gewaltbereiten Linksautonomen, die in der Hauptstadt aktiv seien.

Nur NRW hat mehr echte Gewalt als Berlin

Zunächst blieb unklar, warum die jetzt veröffentlichten Zahlen des Bundesinnenministeriums, die vom Bundeskriminalamt (BKA) stammen, von den bereits vorliegenden Zahlen der Berliner Polizei zum Teil deutlich abweichen. Während das BMI für 2019 und 2018 von 205 beziehungsweise 96 linksextremistischen Gewalttaten spricht, sind es in der Statistik der Berliner Polizei 257 beziehungsweise 290.

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Rechtsextremisten waren im vergangenen Jahr in Berlin für 150 Gewalttaten verantwortlich. In absoluten Zahlen hat nur Nordrhein-Westfalen mit 158 Taten einen etwas höheren Wert. Auf den Plätzen drei und vier liegen Brandenburg und Sachsen-Anhalt.

Laut der Statistik der Berliner Polizei waren 115 dieser rechtsextremistischen Gewalttaten Körperverletzungen, 27 Fälle wurden als versuchte Erpressungen registriert und es gab ein versuchtes Tötungsdelikt. Der Berliner Verfassungsschutz zählt in seinem aktuellen Bericht 700 gewaltbereite Rechtsextremisten in der Hauptstadt.

Brandenburg auf Platz drei bei rechter Gewalt

Nicht nur Berlin liegt weit vorne bei der politischen Gewalt, sondern auch Brandenburg. Bei der Zahl der Gewalttaten von Rechtsextremisten liegt es im Vergleich der Bundesländer auf dem dritten Rang.

In Brandenburg wurden im vergangenen Jahr 90 politisch motivierte Gewalttaten von Rechtsextremisten gezählt. Innenminister Michael Stübgen (CDU) zeigte sich besorgt.

„Die Erkenntnisse (...) sind nicht neu, aber sie sind beunruhigend“, erklärte Stübgen. „Wir verzeichnen einen deutlichen Anstieg der Extremisten und ihrer Straftaten. Insbesondere sticht der Bereich des Rechtsextremismus hervor. Auch wenn es insgesamt etwas weniger Gewalttaten gab, ist es zu zwei rechtsextremistisch motivierten Tötungsdelikten gekommen.“

Mit dem vorgesehenen Maßnahmenplan gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität könne der Druck deutlich erhöht werden. Auch der innenpolitische Sprecher der CDU im Landtag, Björn Lakenmacher, sprach von beunruhigenden Tendenzen und verwies ebenfalls auf den Maßnahmenplan. „Es liegt an uns, aktiv gegen jede Form der Hetze vorzugehen.“ Über den Plan wird in der Koalition noch beraten.

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Die rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten sind in Brandenburg zwar im Vergleich zum Jahr 2018 zurückgegangen - damals lagen sie nach Angaben des Brandenburger Innenministeriums bei 123, nach Zahlen des Bundeskriminalamts aus dem Verfassungsschutzbericht bei 119.

Doch die Zahlen zur Extremismuskriminalität für Brandenburg insgesamt - neben Gewalttaten zum Beispiel auch Propagandadelikte - waren im vergangenen Jahr auf den Rekordwert von 1932 gestiegen nach 1562 im Jahr vorher. Das Innenministerium stellte sie im März vor.

Mehr linke Gewalt in Brandenburg, als im Vorjahr

Bei Gewalttaten von Linksextremisten belegt Brandenburg mit 24 Fällen den neunten Platz, wie aus dem Verfassungsschutzbericht 2019 hervorgeht. Im Vergleich zum Jahr zuvor stieg die Zahl. Bei den extremistischen Gewalttaten aus religiösen Gründen kommt Brandenburg mit vier Fällen auf den vierten Rang hinter Bayern, Berlin und Baden-Württemberg. Diese Zahl blieb gegenüber dem Vorjahr gleich. Bei extremistischen Gewaltdelikten gegen Ausländer kam Brandenburg mit zwei Fällen auf den zehnten Rang.

Der Verfassungsschutzbericht geht auch auf den rechtsnationalen „Flügel“ in der AfD ein, der sich nach eigenen Angaben inzwischen aufgelöst hat. Neben dem Thüringer AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke sei der brandenburgische AfD-Landes- und Fraktionsvorsitzende Andreas Kalbitz im Berichtszeitraum das zweite prägende Gesicht des „Flügels“. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte den „Flügel“ im März als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft.

Der AfD-Bundesvorstand warf Kalbitz im Mai aus der Partei und gab als Grund an, dieser habe beim Parteieintritt eine frühere Mitgliedschaft in der inzwischen verbotenen rechtsextremen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) und bei den Republikanern nicht angegeben. Kalbitz weist eine HDJ-Mitgliedschaft zurück.

Er ging gegen den Beschluss des Bundesvorstands vor. Das Landgericht Berlin erklärte die Entscheidung der Parteispitze für unzulässig. Das AfD-Bundesschiedsgericht entschied nach ARD-Informationen im Eilverfahren, dass Kalbitz die Partei vorerst wieder verlassen soll. Die Entscheidung im Hauptverfahren steht noch aus. Die AfD im Landtag wählte Kalbitz im Juni wieder zu ihrem Vorsitzenden. (dpa)

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