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Berlin: Sterzinsky empört auch die Kriegsgegner

Verständnis für einen Boykott von US-Waren? Nicht bei Amerikanern, die selbst gegen ihre Regierung sind

Keine CocaCola, kein Mc Donald’s, keine Bagels? Um gegen den Krieg im Irak zu protestieren? Von wegen: Kardinal Georg Sterzinsky , der im Sender Freies Berlin Verständnis für ein Boykott von US-Produkten äußerte, erntet massive Kritik. Vor allem von Amerikanern in der Stadt.

Kindisch – mit diesem Wort kanzelt Isabel Cole, Mit-Initiatorin von „Americans against the war“, den Vorstoß ab. „Die amerikanischen Wirte haben damit angefangen, französischen Wein wegzukippen, nun sollen Deutsche keine US-Produkte mehr kaufen: Das bringt doch nichts und spitzt die Sache nur zu.“ Von Freunden in den USA weiß die 29-jährige Kriegsgegnerin, dass diese „sehr beleidigt“ sind, dass Europäer nun zum Boykott aufrufen. Auch Denise Banks von der American Church geht in Opposition. „So ein Boykott hilft niemandem.“ Zumal von dieser Aktion „eher die Beschäftigten in den amerikanischen Firmen als die Regierung“ getroffen werden.

Das sehen viele der hier lebenden Amerikaner offenbar ähnlich: Der aus New York stammende Börsenmakler Bill Johnson ärgert sich über Sterzinskys Äußerungen: „Der Kardinal soll sich auf die Probleme in seiner Kirche konzentrieren.“ Cynthia Barcomi, 39, betreibt zwei Bagel-Shops in Berlin und kann über Sterzinskys Aufruf nur lachen. „Man kann wie ich gegen die amerikanische Regierung sein, aber es macht der Regierung doch nichts aus, wenn amerikanische Produkte boykottiert werden.“

Andere reagieren emotionaler: „Ich bin sehr traurig, und es tut sehr weh“, sagt Charles Herndon, 34. Der EDV-Fachmann lebt seit 13 Jahren in Deutschland. Er sei damals aus den USA nach Europa gekommen, weil er geglaubt habe, dass es hier nicht so oberflächlich wie in den Staaten zugehe, das „Niveau höher“ sei. „Aber nun muss ich sehen, dass die Deutschen genauso tief sinken“, sagt er. Herndon ist gegen diesen Krieg. Deswegen aber auf amerikanische Produkte zu verzichten, mache keinen Sinn. Sterzinskys Verständnis für einen Boykott hat jetzt alte Erinnerungen in Herndon wachgerufen: „Ich fühle mich wie im Kindergarten.“

„Durch einen Boykott-Aufruf entstehen höchstens antiamerikanische Gefühle in der Bevölkerung“, sagt auch Josef Grünwald von der Gemeinschaft kritischer Katholiken. Grünwald, selbst erklärter Kriegsgegner, ist erstaunt, dass Sterzinsky sich zu dieser Aussage hat hinreißen lassen – „Bischöfe sollten sich auf politischer Ebene eher zurück halten.“hwi/tabu

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