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Berlin: Stille nach dem Sturm

Bei der SPD ist man derzeit um Mäßigung bemüht Am Montag treffen sich die Landesvorstände.

Die Tagesordnung lässt Spekulationen zu: Wenn sich die Landesvorstände der Berliner SPD am kommenden Montag treffen, könnte die Führungsdiskussion zum Thema werden. Das ist – Stand Freitag – zwar nicht als eigener Diskussionspunkt vorgesehen. Doch weil man im Vorstand auch stets die Lage bespricht, sind Überraschungen möglich – zum Beispiel die, dass Jan Stöß, Kreischef aus Friedrichshain-Kreuzberg, sich mal deutlich über seine Pläne äußert.

Seit einigen Wochen ist Stöß Kandidat im Konjunktiv: Es gibt Leute in der größeren der beiden Regierungsparteien, die in dem Richter und vormaligen Stadtrat den Richtigen sehen, um Michael Müller herauszufordern. Müller führt die Berliner SPD seit fast acht Jahren. Bis zur letzten Senatsbildung war er auch Chef der Fraktion im Abgeordnetenhaus und in der Doppelfunktion der Mann, der Klaus Wowereit das Regieren leichter gemacht hat. Seit ein paar Monaten ist Müller Senator für Stadtentwicklung – und damit, so meinen einige in der SPD, für das Führungsamt in der Partei womöglich nicht mehr ganz der Richtige.

Das halblaute Gerede vor dem Parteitag im kommenden Juni hat die an ruhiges Dahinregieren gewöhnten Sozialdemokraten durcheinandergebracht. Von Intrigen war die Rede und davon, dass Müller wegen seiner Einbindung in die Senatsdisziplin das Profil der SPD nicht mehr deutlich genug herausarbeiten könnte. Müller ließ das nicht gelten. Er verwies darauf, dass in anderen Bundesländern – Brandenburg zum Beispiel – die Ministerpräsidenten in Personalunion Parteichefs seien. Und er kündigte an, um das Vorsitzendenamt zu kämpfen. Stöß hingegen hat bislang geschwiegen. Auf aktuelle Anfragen mit Blick auf den Montag reagiert er nicht.

Derart angespannt war die Stimmung in der Sozialdemokratie tagelang, derart ungekannt boshaft das Gerede übereinander, dass nun alle um Mäßigung im Ton bemüht sind. Einzig Walter Momper, ehemaliger Regierender Bürgermeister und selbst phasenweise gebeutelt von einer streitversessenen Partei, sagt deutliche Sätze. Die Verbindung aus Stadtentwicklungsverwaltung und Landesführung passe nicht? „Warum denn nicht?“, fragt Momper zurück und weist darauf hin, dass es überhaupt keine direkten Vorwürfe gegen Müller gebe. Es gebe zwar eine Diskussion, aber keinen Gegenkandidaten mit einem politischen Auftritt und eigenen Positionen. „Es geht rein um Personen“, schimpft Momper, „und das ist schädlich.“ An die Adresse möglicher Herausforderer von Müller sagt Momper: „Wenn einer jemanden weghaben will, muss er begründen, warum.“ Das gehe nicht auf indirektem Weg. „Die Welt besteht nicht nur aus Hinterzimmern.“

Momper, der zuletzt Präsident des Abgeordnetenhauses gewesen ist, sieht mit einem gewissen Abstand, was manche Parteifreunde treiben. Mitglieder des Landesvorstands sind derweil um Spannungsabbau bemüht. Der Neuköllner Kreisvorsitzende Fritz Felgentreu zum Beispiel sagt, er wünsche sich, dass die „innere Einheit“ der Partei den Streitenden nicht aus dem Blick gerate. Der Pankower Kreischef Alexander Götz sagt, er erwarte, „dass wir jetzt zeitnah eine Klärung der Frage erwarten dürfen, ob es einen Gegenkandidaten gibt oder nicht“.

Trösten wird die Sozialdemokraten, dass die neue Unruhe in Partei und Fraktion die Wähler nicht weiter irritiert. Die Demoskopen von Infratest haben die SPD jetzt bei der Sonntagsfrage mit 29 Prozent gemessen. Da stehen sie seit Mitte Januar – die Führungsdebatte hat sie also bislang keine Sympathien gekostet.Werner van Bebber

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