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Berlin: Störende Baupläne: Vor der Geschichte verpflichtet, "auf den Platz acht zu geben"

Die Stimmung im Saal war gereizt. Viereinhalb Jahre hatten Senat, Bezirk und der Investor der geplanten Tiefgarage unter dem Bebelplatz mit der Planung verbracht, aber kein einziges Mal mit den Betroffenen gesprochen.

Die Stimmung im Saal war gereizt. Viereinhalb Jahre hatten Senat, Bezirk und der Investor der geplanten Tiefgarage unter dem Bebelplatz mit der Planung verbracht, aber kein einziges Mal mit den Betroffenen gesprochen. Erst am Montag abend, als das vor wenigen Tagen von Humboldt-Studenten gegründete "Aktionsbündnis Bebelplatz" zur Podiumsdiskussion in die Humboldt-Universität lud, wurden die Pläne erstmals öffentlich vorgestellt.

Doch Zeit für Diskussionen bleibt kaum. Denn die Baugenehmigung könne schon in den nächsten Wochen erteilt werden, so der für Baufragen im Bezirksamt Mitte zuständige Mitarbeiter Metz. Die Betroffen fühlen sich überfahren, allen voran das Präsidium der Universität. Man habe erst im April durch die Presse von dem Projekt erfahren, erklärte Vizepräsident Eveslage sichtlich erbost.

Die Leitung der Humboldt-Universität und die Studenten der juristischen Fakultät sind besorgt über den zu erwartenden massiven Baulärm und mögliche Schäden an den Gebäuden. Zwar verspreche der Investor, die umliegenden Gebäude durch Sensoren "weitgehend" sichern und auf ein "tolerierbares Maß an Schwingungen" achten. Tolerierbare Schwingungen dieser Art haben allerdings bereits bei der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät in der Spandauer Straße zu einem zweistelligen Millionenschaden geführt, ist Vizepräsident Eveslage empört - "wir sind gebrannte Kinder". Und da der Unileitung immer noch keine konkreten Pläne des Investors vorlägen, seien die Auswirkungen für Kommode und das Hauptgebäude nicht abschätzbar. Auswirkungen von Neubauten spüre man an der Kommode längst, so Bauabteilungsmitarbeiter Schwalgin: "Da steht schon jetzt der Keller unter Wasser".

Kritik äußerten die Zuhörer aber nicht nur an den befürchteten Auswirkungen, sondern auch am Sinn des Vorhabens insgesamt. Zwei unausgelastete Parkhäuser gebe es in der Nähe, dazu kämen freie Stellplätze der Geschäftsgebäude der unmittelbaren Umgebung. Die Notwendigkeit weiterer 500 Stellplätze vermochten die Vertreter der Senatsverwaltung und des Bezirks Mitte nicht schlüssig zu begründen. "Die Erfahrung zeigt, dass der Mensch nicht bereit ist, mehr als 300 Meter zu laufen", vertrat dagegen Investor-Vertreter Roeck. Eine Tiefgarage mit unmittelbarem Zugang zur Staatsoper sei daher wünschenswert.

Bereits im Juli 2000 hat der Senat mit der Firma Wöhr + Bauer GmbH einen Erbbaurechtsvertrag über die Nutzung des Bebelplatzes abgeschlossen. Dieser schließe Regressansprüche des Investors gegen das Land Berlin in Millionenhöhe ein, falls die Tiefgarage letztlich nicht gebaut werden könne. Darauf wies Dr. Meschede vom DAAD/Berliner Künstlerprogramm hin. Weder der Investor noch Senats- oder Bezirksvertreter wollten sich dazu äußern. Vor diesem Hintergrund waren die Zuhörer skeptisch gegenüber der eiligen Versicherung des Bezirksamts, man werde die Baugenehmigung erst dann erteilen, wenn alle Interessen berücksichtigt seien.

Die Humboldt-Universität befürchtet nicht nur Lärm und Bauschäden. Sie müsse auch "der besonderen geschichtlichen Verantwortung gerecht werden", den sie für den Ort der Bücherverbrennung trage, betonte Tibor Fedke, Student der Juristischen Fakultät. Schließlich seien gerade auch Studenten dieser Universität an den Ereignissen des 10. Mai 1933 beteiligt gewesen. Lehrende und Lernende seien aufgerufen, "auf den Platz acht zu geben".

Für den israelischen Künstler Micha Ullman, der an der Diskussion nicht teilnehmen konnte, kommt eine Mahnmal-Parkplatz-Kombination grundsätzlich nicht in Frage. Ullman hatte bereits im April gedroht, sein Mahnmal zurückzuziehen. Wie sich die Stadt diesbezüglich verhalten werde, sei "nicht vorhersehbar", so Frau Reich-Schilcher von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Allerdings hätte der Künstler sowieso keine Möglichkeit, sein Werk "zurückzuziehen", da er sämtliche Rechte an dem Auftragswerk der Stadt übertragen habe. Dr. Meschede vom DAAD/Berliner Künstlerprogramm kündigte daraufhin an, notfalls werde man das "künstlerische Copyright" des Mahnmals auf gerichtlichem Wege verteidigen. Der Investor zeigte sich unbeeindruckt und denkt ganz gelassen an die "unterirdische Dimension" des Mahnmals: Es könne doch auch eine "Betrachtung von unten" angedacht werden.

Franz Wegener

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