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Berlin: Strafvereitelung im Amt: Verfahren gegen Oberkommissarin wurde eingestellt

Das Ermittlungsverfahren der Berliner Staatsanwaltschaft gegen eine 37-jährige Kriminaloberkommissarin wegen Strafvereitelung im Amt ist in der vergangenen Woche eingestellt worden. Es ging um den Vorwurf aus dem vergangenen Jahr, die Beamtin aus dem Bereich Scheck- und Kreditkartenbetrug habe eine Akte fast zwei Jahre lang nicht bearbeitet.

Das Ermittlungsverfahren der Berliner Staatsanwaltschaft gegen eine 37-jährige Kriminaloberkommissarin wegen Strafvereitelung im Amt ist in der vergangenen Woche eingestellt worden. Es ging um den Vorwurf aus dem vergangenen Jahr, die Beamtin aus dem Bereich Scheck- und Kreditkartenbetrug habe eine Akte fast zwei Jahre lang nicht bearbeitet. Eine Moabiter Staatsanwältin hatte diese Akte zu Nachermittlungen an das Landeskriminalamt (LKA) zurück gesandt, da sie eine zusätzliche Zeugenbefragung wünschte. Als die Akte nach 22 Monaten wieder in Moabit ankam, trug sie nur den kurzen Vermerk, eine Vernehmung wäre vermutlich ergebnislos geblieben: Die Staatsanwältin leitete deshalb im Oktober 2000 gegen die sachbearbeitende Kommissarin ein Verfahren wegen Strafvereitelung im Amt ein. (Der Tagesspiegel berichtete).

Der Vorgang hatte unter Kriminalbeamten Empörung ausgelöst, denn die Kriminalistin gilt als berufserfahren und fleissig, war aber gegen den Aktenberg auf ihrem Schreibtisch ebensowenig angekommen wie ihre Kollegen, zumal die Zahl der Fälle von Scheck- und Kreditkartenbetrug steigt. Die aktuelle Kriminalstatistik 2000 verzeichnet einen Anstieg von 37 Prozent, jährlich steigt die Zahl der Anzeigen um etwa 2500. Nach einer internen Statistik des Landeskriminalamtes waren im letzten Jahr insgesamt 28 035 Fälle in Bearbeitung, die bis auf etwa 4700 erledigt wurden. (Aufklärungsquote: 33 Prozent). Die Kriminalbeamten selbst nennen andere Zahlen: Danach hat jeder der knapp 50 Ermittler bis zu 150 Fälle gleichzeitig zu bearbeiten, darunter zum Teil umfangreiche Grossverfahren. Die eigentlich vorgesehene Ermittlungsdauer von drei Monaten "wird da zum Witz", sagt ein Beamter, häufig vergehe schon ein halbes Jahr, bevor die Ermittlungen überhaupt beginnen. Als Folge eines zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft im vergangenen Jahr vereinbarten, so genannten "vereinfachten Verfahrens" komme nun ein Grossteil der Vorgänge als "Rotakten" wieder zurück: Die Staatsanwaltschaft hält die Ermittlungen für unzureichend und gibt die Akte zur Nachbearbeitung zurück. Damit beginnt der Kreislauf dann von vorn.

Den Insidern zufolge gibt es derzeit mehr als 1800 Ermittlungskomplexe deren Bearbeitungszeit bereits mehr als ein Jahr beträgt. Bis zu zwei Jahren seien durchaus normal. Erst vor wenigen Wochen, so ist zu hören, seien rund 50 Ermittlungsvorgänge an die Staatsanwaltschaft abgegeben worden, die noch aus den Jahren 1996/97 stammten.Die Gesamtschadenssumme wird auf mehrere hunderttausend Mark geschätzt. Kleinere Verfahren mit bis zu tausend Mark Schaden würden kaum noch bearbeitet. Angesichts dieser Situation macht sich auf den Fluren beim LKA 31 Resignation und Zynismus breit.

Dies, meint die Landesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Heike Rudat, "spiegelt den schlechten Zustand vieler Schwerpunktdienststellen wider". Der BDK begrüsst daher die jetzt bekannt gewordene Verfahrenseinstellung gegen die Kommissarin: Es könne nicht sein, dass einzelne Beamte für den Gesamtzustand verantwortlich gemacht werden. Wenn sich nichts ändere, drohten weitere ähnliche Fälle. Diese Gefahr sieht auch der LKA-Personalratsvorsitzende Werner Thronicker. Für ihn liegt das eigentliche Problem jedoch ausserhalb der Polizei. Sicherungsvorschläge der Polizei seien von den Kreditkartenfirmen bislang nicht aufgegriffen worden. "Man gewinnt den Eindruck", sagt er, "dass die Firmen gar kein gesteigertes Interesse an der Aufklärung haben. Schäden sind in ihren Bilanzen gleich mit drin".

OD

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