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Das hat so'n Bart. Dreh doch mal die Westmucke auf!

© Caro / Pijorr

Straßenfest in Pankow: Pankeschön!

Von Melonen, Erdbeeren und Schokoladenzuckerbomben: Stadtteilpartys wie das Fest in Pankow hatten in der DDR einen seltenen Charme – und heute?

Ob die Frau mit den zwei Sesseln wiederkommt? Vor ein paar Jahren hatte sie beim Fest an der Panke vor dem Schlosspark in Pankow gesessen; daneben ein Schild: „Hört Ihnen keiner zu? Ich höre Ihnen zu. Kostenlos!“ Als ich vorbeiging, redete gerade ein älterer Mann mit dicker Brille auf sie ein.

Im Spätsommer wird in Berlin nahezu jede Straße abgesperrt für Spiel, Spaß und Spektakel. Die Erntedankfeste der früheren Dörfer, die sich inzwischen zum Vergnügungsmoloch Berlin zusammengefügt haben, werden nun Wochenende für Wochenende als Stadtteilrummel nachgefeiert. Angesichts der von Billigtechno beschallten Kirmesbuden und mit Billigsocken geschmückten Marktstände geht der Charme ein wenig flöten. Doch insbesondere in den Ostbezirken der Stadt haben die Feste noch eine weitere nostalgisch-historische Ebene: Zu DDR-Zeiten waren sie ein Markt der Möglichkeiten, weil auch regimekritische Künstler wie der Pankower Grafiker Manfred Butzmann hier kritische Plakate ausstellten (etwa von den absterbenden Straßenbäumen an der Schönhauser Allee).

Die Stadtteilfeste in Ost-Berlin waren aber vor allen Dingen ein Marktplatz der Einkaufsmöglichkeiten: Beim Weißenseer Blumenfest gab es die sonst raren Erdbeeren zu erstehen, beim Rosenthaler Herbst die ersten Melonen – und auf dem Fest an der Panke die braunen Schokoladenzuckerbomben, die man heute Schaumküsse zu nennen hat. Die kleine Welt zeigte ihre Fantasie, etwa wenn die historische Straßenbahn um die Ecke klingelte und ein Postkartenverkäufer an der Pankower Kirche alte Ansichten des Alltagslebens vor Gründung der Deutschen Demokratischen Republik verkaufte. Manches Kind spielte auch mit Spielzeugpanzern, die man per Fernbedienung steuern konnte (meine Eltern zogen mich da lieber weg), die sogenannten Heranwachsenden interessierten sich für die Trendschauen der Jugendmode an der Johannes-R.-Becher-Straße – der einstige Dorfanger zwischen Rathaus und Kirche heißt inzwischen Breite Straße. Zuweilen schaute auch die große Welt vorbei: Dann balancierte im Freibad Pankow die Traber-Familie zu Westmusik über Stahlseile; und am letzten Abend gab es ein selten buntes Feuerwerk zu sehen; unsere kleine DDR-Pyronale.

Heute spielen Coverbands auf dem Fest an der Panke alte Partyhits aus DDR- Tagen nach: „Ich bin der letzte Kunde / ich komm nicht los vom Hahn / vor einer Viertelstunde / fuhr meine letzte Bahn.“ Ladys und Männer mit Mützen schwingen das Tanzbein. Drumherum verteilen die Parteien auch an diesem Wochenende wieder ihre einfarbigen Luftballons, die Jugend von heute fährt Autoscooter wie die Jugend von damals. Auf dem Künstlermarkt immerhin sieht man noch manch sozialkritisches Plakat.

Inzwischen gibt es auf Stadtteilfesten selten etwas Seltenes. Erst recht keine raren Glücksgefühle, wenn man rare Südfrüchte erstanden hat. Schlimm ist das nicht. Es bleibt die Erinnerung, der man nachlaufen kann, wenn man über den Budenrummel schlendert, der kein Markt der Möglichkeiten mehr ist, sondern die Möglichkeiten der Marktwirtschaft aufzeigt. Nur eine Mini-Pyronale gibt’s nicht mehr.

Das Fest an der Panke mit Künstlermarkt, Rummel und Bühnenshows findet am Wochenende an der Breiten Straße und der Ossietzkystraße an der Pankower Kirche statt. Auf dem alten Dorfanger wird am Sonnabend ab 18 Uhr getanzt (5 Euro).

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