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In der Ausstellung „DiversCITY“ können Kinder und Jugendliche sich über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt informieren.

© Maria-Mercedes Hering

"Welcome to diversCITY": Streifzug durch den Regenbogenkiez Schöneberg

Die erste Frauenkneipe West-Berlins, Liebe zwischen Jesus und Johannes. Eine Ausstellung in Schöneberg setzt sich mit Sexualität und Identität auseinander.

Ein Hummer, eine Hexe und ein Miniatursarg: Bei der Ausstellung „Welcome to diversCITY“ im Jugend Museum markieren sie Orte in Schöneberg aus dem Leben von queeren Menschen, also Homo- und Bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Personen. Auch wenn nicht alle Gegenstände sofort offenbaren, was sie mit dem Regenbogenkiez zu tun haben, lädt der bunte Plan doch ein, mehr über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt im Stadtteil zu erfahren.

Die Ausstellung bildet den Abschluss des Modellprojekts „All Included! Museum und Schule gemeinsam für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt“. In diesem Rahmen wurden seit 2015 Lernwerkstätten und Schulprojekte vom Familienministerium im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ gefördert. Aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre ist nun ein buntes Ausstellungskonzept entstanden, das Kinder und Erwachsene zum Lernen, Mitmachen und Weiterdenken einlädt.

Die Beschäftigung mit dem Thema sei sehr wichtig, betont Ellen Roters, pädagogische Leiterin des Jugend Museums und Projektleiterin von „All Included!“. Sie und ihr Team haben in den vergangenen Jahren viele Schulen besucht und mit Kindern und Jugendlichen über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt gesprochen. Das Fazit: „Ausnahmslos alle haben damit zu tun – und das Interesse ist riesig“, freut sich Roters.

Der Name, der in meinem Ausweis steht, ist nicht der, den meine Eltern mir gegeben haben

Drei Ausstellungsräume regen dazu an, eigene Sichtweisen auf Identität, Gerechtigkeit, Diskriminierung und Vielfalt zu hinterfragen. „Erst einmal zeigen wir verschiedene Kategorien potenzieller Ausgrenzung auf, um den eigenen Blick zu öffnen“, sagt Kuratorin Roters zum Konzept. Auf dem Boden im ersten Raum stehen Aussagen von Jugendlichen über ihr Aussehen, ihren Namen und über die Personen, die sie mögen.

Es sind Sätze wie „Mein Aussehen ist oft der Grund dafür, dass ich falsch eingeschätzt werde“ und „Der Name, der in meinem Ausweis steht, ist nicht der, den meine Eltern mir gegeben haben“. Diese zeigen bereits, wie Jugendliche sich im Alltag mit Identität befassen.

Der Stadtteilplan im zweiten Raum bildet das Herzstück der Ausstellung. Hundert Jahre Regenbogenkiez sind hier in 79 Stationen dargestellt. Jeder Gegenstand auf der Karte ist mit einem Buchstaben und einer Kombination aus thematisch geordneten Farbkugeln verbunden. Wer etwas zu den markierten Orten wissen will, muss nur unter dem entsprechenden Buchstaben an einer Wand mit informativen Zetteln nachsehen und findet schnell heraus, dass die Hexe auf dem Plan für den Blocksberg steht, die erste Frauenkneipe West-Berlins.

Vielfalt. In 79 Stationen ist die Geschichte des Regenbogenkiezes dargestellt.
Vielfalt. In 79 Stationen ist die Geschichte des Regenbogenkiezes dargestellt.

© Maria-Mercedes Hering

Oder dass der Mini-Sarg auf den alten St.-Matthäus-Kirchhof verweist, auf dem viele Homosexuelle ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Die Texte sind so kurz gehalten, dass auch Kinder sie leicht verstehen. Wer mehr wissen will, kann in bereitgestellten Ordnern weiterlesen. Noch mehr zum Thema gibt es an Tablets und bei einem Bücherwagen zu lesen, sehen und hören.

Die Ausstellung soll zum Nachdenken anregen

Es lohne sich, früh im Leben über Identität nachzudenken, wie Ellen Roters erklärt. Denn mit dem Alter würden sich Vorstellungen von Geschlecht und Identität immer mehr verfestigen. „Und je fester Identität begriffen wird, desto geringer sind die Spielräume, in denen man sich ausprobieren kann.“ Die Ausstellung soll zum Nachdenken anregen, sei es durch die informativen Texte, die Aussagen von Jugendlichen oder Ausstellungsstücke. Wie etwa Schuhe mit Plateau und Absatz, die während der Hippie-Bewegung von Männern getragen wurden und so zeigen, wie sich Geschlechterrollen und die damit verbundenen Ausdrucksweisen von Identität ständig verändern.

Im dritten Raum finden sich Beispiele aus anderen Berliner Museen, die Sexualität und Geschlecht thematisieren. Zu einer Holzfigur von Jesus und Johannes informiert eine Tafel, dass diese Darstellung im Mittelalter männliche Liebe und Zärtlichkeit zeigte. Daneben hängen beschreibbare Zettel mit der Frage „Und was sagst du dazu?“

„Echt süße, tragische und wunderschöne Story! Cuteness overload!“

Einige Jugendliche haben die Ausstellung bereits getestet und selbst Anmerkungen gemacht. Zur biblischen Darstellung schreibt Kerem: „Sie sind einander sehr vertraut und fühlen sich sicher und geborgen.“ Tasaneh findet: „Jesus und Johannes könnten eine platonische oder sexuelle Beziehung gehabt haben. Wen juckt's? Auf jeden Fall war die Beziehung eng.“ Und zum Liebesversprechen zweier Frauen in den Wirren des Zweiten Weltkriegs schreibt Kerem: „Echt süße, tragische und wunderschöne Story! Cuteness overload!“

Wer noch mehr beitragen will, kann in einer Aufnahmekabine Audiodateien einsprechen. Die Aufnahmen können an Tablets im dritten Raum angehört werden. Eine Person fragt, warum es nur Männer- und Frauentoiletten gibt, eine andere betont, dass es nicht komisch ist, wenn Männer sich freundschaftlich küssen.

So ist die Ausstellung kein abgeschlossenes Projekt, sondern wächst mit den Erfahrungen und Beiträgen, zu denen sie inspiriert. An einer Wand gibt es die Möglichkeit, ganz eigene Gedanken aufzuschreiben und anzupinnen. Die Zettel ergeben das Wort City in der Abschlussforderung „Werde Teil von diversCITY“.

Die Ausstellung im Jugend Museum Schöneberg, Hauptstraße 40/42, ist bis zum 20. Oktober zu sehen. Geöffnet ist Montag bis Donnerstag, Samstag und Sonntag zwischen 14 und 18 Uhr, freitags von 9 bis 14 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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