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Berlin: Streit um den Bauchladenschluss

Der Bezirk Mitte will fliegende Händler von der Straße vertreiben. Von heute an gelten verschärfte Regeln. Ein Pro & Contra

Das Bezirksamt Mitte macht Ernst. Ab heute ist der Sperrbezirk für die fliegenden Händler drastisch erweitert. Die Konkurrenz für die ansässigen Ladenbesitzer und aggressive Verkaufspraktiken gegenüber Touristen nennt die Behörde als Gründe für das Verbot. Davon war gestern allerdings wenig zu spüren.

Wochenmarkt auf der Neuen Promenade am Hackeschen Markt. Auch hier haben die mobilen Verkäufer künftig nichts mehr zu suchen. Sie hätten sich mit ihren Bauchläden zwischen die Stände gestellt und den Standbesitzern Konkurrenz gemacht, so der zuständige Amtsleiter Harald Büttner. An diesem Sonnabend sind Crêpes- und Fruchtsaft-, Kuchen- und Blumenanbieter unter sich. Zwei Markthändlerin zeigen sich verwundert von der Begründung aus dem Rathaus. Hier habe es nie Probleme gegeben, sagt eine Frau, die kleine Leckereien verkauft. Ohnehin sieht sie das „locker“, denn „die gehören auch dazu“.

Vor dem Dom-Aquaree an der Karl- Liebknecht-Straße wartet Stehgriller Marcel M. auf Kundschaft, sein Bratwurstgrill vor dem Bauch wiegt 25 Kilo, fünf bis sechs Stunden steht er hier – bei knapp 30 Grad im Schatten kein leichter Job. Der junge Mann ist erst den zweiten Tag als Vertretung eingesprungen, hat noch nichts von dem Verbot gehört. Rund 60 Prozent seiner Kunden sind Touristen. Wer bei ihm für 1,50 Euro eine Wurst kauft, würde auch sonst in kein Restaurant gehen, ist Marcel überzeugt. Verständnis hat er für die Verärgerung mancher Gastwirte, wenn sich gelegentlich ein Kunde zum Verzehr an einen der Vorgarten-Tische setzt.

An der Liebknechtbrücke baut ein Mann mit nacktem Oberkörper gerade einen Stand mit Puppen und Glasarbeiten auf. Auf der anderen Seite der Spree stehen zwei Händler, die auf ihren Bauchläden NVA- und Russenmützen, Vopo- Armbinden und Bernsteinschmuck anbieten. Er habe beim Bezirksamt für seine Genehmigung bezahlt und hoffe, hier bleiben zu können, sagt einer der Händler. Sonst gehe er woanders hin.

„Wir stören niemand und tragen zum bunten Bild für die Touristen bei“, sagt der Verkäufer. In ganz Mitte gebe es kein Ladengeschäft, in dem solche Mützen verkauft werden. Viele Passanten probieren sie auf, fotografieren sich gegenseitig, zum Nulltarif, ohne zu kaufen. So trage man auch zum touristischen Angebot der Hauptstadt bei. Wichtiger wäre es, so der Händler, wenn sich die Behörden um die Hütchenspieler kümmern würden.

Die treiben auf beiden Seiten der Liebknechtbrücke ihr Unwesen und sind auch Reiner A. ein Dorn im Auge. Den Berlin-Besucher aus Gießen hat auch gestört, dass er in einem Restaurant-Vorgarten von einem Musikanten angebettelt wurde. Die Bauchladenhändler würden aber besser auf einen der Flohmärkte gehören, sagt er.

Steven und Helen M. aus St. Louis/Missouri freuen sich dagegen, noch ein paar Reliquien aus der Zeit des Kalten Krieges gefunden zu haben. Schließlich hat ein Verwandter hier einst bei der Army gedient und viele Anekdoten erzählt. „We like it“ (Wir mögen es), sagen die beiden Amerikaner.

Wie berichtet, haben Abgeordnete von SPD, FDP und Grünen sowie die IHK den harten Kurs von Mitte missbilligt. Die Berlin Tourismus Marketing GmbH hält das Verbot dagegen im Einvernehmen mit dem Hotel- und Gaststättenverband nicht zuletzt wegen der Konkurrenz für die Restaurants durch die fliegenden Imbiss- und Getränkehändler für gerechtfertigt. Nach Ansicht des Bezirksamtes war der ambulante Handel ohne Sondergenehmigung zur Straßennutzung schon immer illegal. Mit dem Verbot will man auch wegen eines laufenden Gerichtsverfahrens um „fliegende“ Eisverkäufer klarere Rechtsverhältnisse schaffen. Auf dem Alexanderplatz sind die Bauchläden weiter erlaubt.

Rainer W. During

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