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Streit um Figuren auf Humboldt-Universität: Leihgabe auf Lebenszeit

Die Figuren, die einst das Potsdamer Stadtschloss zierten, sollen auf der Berliner Humboldt-Uni bleiben.

Potsdam/Berlin - Sie heißen „Jüngling an Baumstamm gelehnt“, „Weibliche Figur mit Blumenbüschel“ oder auch „Jüngling mit Saiteninstrument“. Die antikisierenden Figuren auf dem Dach der Berliner Humboldt-Universität ließ einst Friedrich II. anfertigen – allerdings nicht für das Palais seines jüngeren Bruders Heinrich Unter den Linden, das heute die Universität beherbergt, sondern für das Potsdamer Stadtschloss. Dort standen die insgesamt 76 nackten Helden und Götter rund 200 Jahre lang, bis sie fast alle bei einem Luftangriff im Zweiten Weltkrieg und bei der Sprengung des Schlosses 1959/60 zerstört wurden. Aber eben nur fast: Denkmalpflegern war es damals gelungen, einige wenige Attikafiguren vor der Zerstörung des Schlosses zu retten, und lagerten die kostbaren Kunstwerke ein.

Sechs Jahre nach der Sprengung gingen acht Figuren als Leihgabe nach Berlin. Statt auf unbestimmte Zeit in einem Depot zu liegen, sollten sie die wiederaufgebaute Humboldt-Universität schmücken. Jetzt ist aber auch das Potsdamer Stadtschloss wiederaufgebaut, und viele sind der Meinung, die Figuren sollten wieder in die brandenburgische Landeshauptstadt zurückkehren. Bereits seit Jahren wird darum gerungen, doch nun ist es offenbar endgültig entschieden: Die Figuren bleiben in Berlin.

Die Brandenburger CDU hatte die Landesregierung per Anfrage erneut zu einer Stellungnahme über die Zukunft der Figuren genötigt, und in seiner Antwort wird Finanzminister Helmuth Markov (Linke) deutlicher denn je: „Fachpolitische Erörterungen zu dem Thema sind nicht mehr notwendig, da sich die Eigentümerin der Figuren für ihren Verbleib auf der Humboldt-Universität ausgesprochen hat“, heißt es dort. Die Eigentümerin, das ist die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, die für die königlichen Hinterlassenschaften in Berlin und Brandenburg zuständig ist. Diese wiederum verweist an das Berliner Landesdenkmalamt – schließlich steht das Hauptgebäude samt Figuren seit 1975 unter Denkmalschutz. Die Berliner Behörde empfiehlt demnach auch, die Figuren in Berlin zu lassen. Denn wenngleich die Attikafiguren auf der Humboldt-Universität „aus dem Zusammenhang des Potsdamer Stadtschlosses“ stammten, bilde der jetzige Standort bereits selbst eine „wichtige historische Schicht“ ab. „Denn nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Humboldt-Universität mit der Aufbewahrung der Skulpturen deren Erhaltung überhaupt ermöglicht. Das ist ein Akt der Erbepflege, die bereits einen geschichtlichen Wert darstellt und selbst schützenswert ist“, heißt es in der Begründung.

In Potsdam sieht man das natürlich anders, vor allem beim Verein Potsdamer Stadtschloss. Da das Land zwar das Schloss als neues Landtagsgebäude wiederaufgebaut hat, für die Rekonstruktion oder Sanierung der Sandsteinfiguren aber nicht aufkommen will, sammelt der Verein Spenden und versucht so, den Skulpturenschmuck zu finanzieren. Eine mühsame Aufgabe: Trotz jahrelangen Engagements kam bislang nur das Geld für die Restaurierung von vier Figuren zusammen. Dass acht der wenigen erhaltenen Skulpturen nun in Berlin bleiben sollen, ist für den Verein ein Unding – sogar von Beutekunst wird gesprochen.

Die Empfehlung des Berliner Denkmalamtes, stattdessen Kopien anfertigen zu lassen, ist für den Verein keine Alternative. Denn dafür wäre es vermutlich noch schwieriger, zahlungskräftige Spender zu finden. Die vier bereits wiederhergestellten Skulpturen sollten übrigens schon längst wieder auf dem Potsdamer Stadtschloss stehen, doch ein fehlendes Gutachten hat dies bislang verhindert. Dieses soll nachweisen, dass die Figuren fest auf dem Dach stehen und nicht eines Tages den Schlossbesuchern auf den Kopf fallen.

Geschaffen wurden die überlebensgroßen Skulpturen von den Bildhauern Johann Gottlieb Heymüller und Leonhard Storch in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Wer genau hinsieht, kann erkennen, dass sich die Potsdamer Figuren von denen auf der Humboldt-Universität etwas unterscheiden. „Die Potsdamer sind etwa einen Fuß kleiner als unsere“, sagt die Kustodin der Humboldt-Universität, Angelika Keune. Mit „unsere“ meint sie die Figuren auf dem Mittelrisalit über dem Haupteingang der Universität. Auch sie wurden wie alle anderen Skulpturen auf dem Prinz-Heinrich-Palais im Krieg zerstört, als eine Bombe den Mittelteil des Gebäudes durchschlug.

Doch im Gegensatz zum Potsdamer Stadtschloss wurde dieser königliche Prachtbau wiedererrichtet und sogar ein Teil der Figuren rekonstruiert, wie Keune erzählt. Sie wurden in der Dresdner Zwingerbauhütte in Auftrag gegeben und 1952/53 fertiggestellt. Doch den östlichen und westlichen Kopfbau ließ man zunächst frei, bis 1966 eben die Leihgabe aus Potsdam kam. Eine Leihgabe auf Lebenszeit, wie es nun scheint.

Katharina Wiechers

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