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Streit um Mietkosten: Hartz-IV-Empfängern droht Verdrängung

In fast 100.000 Hartz-IV-Haushalten lagen die Ausgaben für Miete und Heizung im Jahr 2011 über den amtlichen Richtwerten. Den Mietern droht der Auszug aus ihrer Wohnung und aus ihrem Bezirk.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die steigenden Mieten in Berlin treffen auch jene Menschen, denen der Staat die Kosten der Unterkunft bezahlt. In fast 100.000 Hartz-IV-Haushalten lagen die Ausgaben für Miete und Heizung im Jahr 2011 über den amtlichen Richtwerten – vor allem in Mitte, Neukölln und Tempelhof-Schöneberg. Das geht aus der Antwort des Senats auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion hervor. Wem es nicht gelingt, als Härtefall anerkannt zu werden oder die Miete zu senken, muss einen Teil der Kosten selbst übernehmen oder eine preiswertere Wohnung suchen. Das führt zu einer Verdrängung sozial schwacher Mieter aus der Innenstadt in Außenbezirke, in denen noch Wohnungen in einfacher, relativ billiger Wohnlage zu haben sind.

Eigentlich hätte der Senat das Problem längst lösen müssen. Die geltende „Ausführungsvorschrift Wohnen“ erfüllt seit 2009 nicht mehr die Vorgaben des Bundessozialgerichts. Außerdem ermächtigte der Bundesgesetzgeber im April 2011 die Länder, eigene, neue Rechtsvorschriften für die Wohnkosten von Hartz- IV-Empfängern zu erlassen. Aber Rot-Rot konnte sich nicht mehr einigen, und nun tut sich auch Rot-Schwarz sehr schwer.

Denn die Kosten, die dem Land entstehen, sind beträchtlich. Jährlich schlagen sie mit 1,4 Milliarden Euro zu Buche, der Bund übernimmt davon etwa ein Viertel. Während sich Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) bemüht, die Kosten zu dämpfen, stehen für Sozialsenator Mario Czaja (CDU) die Probleme der Hilfeempfänger im Fokus. Einem Single-Haushalt werden momentan höchstens 378 Euro monatlich für Miete und Heizung erstattet. Ein Elternpaar mit zwei Kindern erhält maximal 619 Euro. Sozial- und Mieterverbände fordern höhere Richtwerte, die den ständig wachsenden Mieten besser entsprechen.

Senator Czaja bestätigte bisher nur, dass sich die neuen Richtwerte am Berliner Mietspiegel orientieren sollen. Strittig ist aber, ob Hartz-IV-Haushalte auch künftig nur einfache Wohnlagen in Anspruch nehmen dürfen. Sozialpolitiker der SPD wollen, ebenso wie die Linke, auch mittlere Wohnlagen in die Berechnungen für die Kosten der Unterkunft einbeziehen – zumindest in jenen Bezirken, in denen die Wohnungsnot besonders groß ist. Eine solche regionale Differenzierung der neuen Richtwerte fordern auch die Grünen. Die CDU ist nicht dagegen, verweist aber darauf, dass dies rechtlich sehr problematisch sei. Unstrittig ist, dass in Zukunft getrennte Richtwerte für die Bruttokaltmiete und die Heizkosten ausgewiesen werden müssen.

Czaja kündigte eine neue Rechtsverordnung bis zum Sommer an. Er wird sie in die laufenden Haushaltsberatungen für 2012/13 einspeisen müssen. Denn nicht nur der Finanzsenator, sondern auch die Koalitionsfraktionen und die Opposition wollen mitreden. Immerhin betrifft das Problem rund 590 000 Berliner, die von Hartz IV leben und eine bezahlbare Wohnung brauchen. za

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