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Wie viel Abstand halten Autos zu Radfahrern beim Überholen?

© Radmesser/Martin Baaske

Studie bestätigt Tagesspiegel-Radmesser: Radfahrer werden meist zu eng überholt

Eine Studie der Unfallforschung der Versicherer hat ebenfalls den Überholabstand von Autos zu Radfahrern untersucht. Die Ergebnisse sind drastisch.

Eine neue Studie der Unfallforschung der Versicherer (UDV) zum Überholabstand von Kraftfahrzeugen zu Radfahrenden bestätigt die Ergebnisse der Tagesspiegel-Recherche Radmesser. Auch nach ihren Erhebungen überholen Autofahrer Radfahrer in der Mehrheit der Fälle zu dicht. In dem Forschungsprojekt wurde die „Sicherheit und Nutzbarkeit markierter Radverkehrsführungen“ erforscht. 

Bei der Tagesspiegel-Recherche wurde mithilfe von Ultraschall-Sensoren und 100 Freiwilligen zwei Monate in Berlin gemessen. Dabei wurden auf insgesamt 13.300 Kilometern Strecke 16.700 Überholvorgänge gemessen. In 56 Prozent der Fälle hielten die Autofahrerinnen und -fahrer dabei nicht den erforderlichen Sicherheitsabstand von 1,50 Metern ein.

Lastwagen und Busse überholen besonders eng

In der neuen Studie der UDV kam nun ein anderes Verfahren mit Lasermessung an einem speziellen Rad zum Einsatz. Dabei wurde sich auf die Messung auf Radfahrstreifen und Schutzstreifen begrenzt. Insgesamt wurden 7.700 Überholvorgänge auf 20 Strecken in Berlin  von den durch die UDV beauftragten Wissenschaftlern gemessen. Interessanterweise weichen die Ergebnisse des durchschnittlichen Überholabstands auf Schutzstreifen und Radstreifen maximal 3 Prozent von den Erhebungen des Tagesspiegels ab. Damit werden die Ergebnisse durch eine weitere unabhängige wissenschaftliche Untersuchung bestätigt. 

Die Verkehrsforscher konnten durch das Lasermessverfahren und einem anderen Studienansatz für bestimmte Fragen noch detailliertere Daten erheben: So stellte sich heraus, dass gerade Lkw und Busse besonders eng überholten. Auf Schutzstreifen, dass sind Radwege, die mit einer unterbrochenen Linie markiert sind, taten sie dies zu 69 beziehungsweise 89 Prozent mit weniger als 150 Zentimetern Sicherheitsabstand, 20 beziehungsweise 44 Prozent sogar mit weniger als ein Meter Abstand. 4,2 Prozent der Lkw und 7,4 Prozent der Busse hielten sogar weniger als 50 Zentimeter Seitenabstand.

Aber auch die mit einer durchgezogenen Linie vom Fahrstreifen abgetrennten Radstreifen boten nicht mehr Schutz. Auch hier ließen Lkw und Busse wenig Platz, und überholten in 69 (Lkw), beziehungsweise 43 Prozent der Fälle (Busse), mit weniger als 150 Zentimeter Abstand. 24 beziehungsweise 21 Prozent ließen weniger als einen Meter Sicherheitsabstand. Weniger als 55 Zentimeter Abstand bei Lkw und weniger als 70 Zentimeter bei Bussen konnten in der UDV Studie aber nicht gemessen werden. 

 Linien verursachen oft Unfälle

Weitere Antworten gibt die Studie auf die Frage des Unfallrisikos auf Schutz- und Radstreifen. So stand jeder dritte Unfall auf Schutzstreifen im Zusammenhang damit, dass Autos neben den Schutzstreifen parken. 65 Prozent davon waren sogenannte Dooring-Unfälle: Dabei öffnen Autoinsassen unachtsam die Tür, so dass Radfahrende bei geringem Abstand nicht mehr ausweichen können und verunglücken. 

Dass Parkstände neben Schutzstreifen eine gefährliche Angelegenheit sind, zeigt auch die Unfallhäufigkeit, die ebenfalls untersucht wurde: Sie war auf entsprechenden Abschnitten fast viermal so hoch wie auf Schutzstreifen ohne Parken. Auch wenn die Schutzstreifen die Regelmaße der Richtlinien (weniger als 1,5 Meter Breite) unterschreiten, führt das zu besonders hohen Unfallraten. 

In einem weiteren Abschnitt der Studie wurde eine Verhaltensbeobachtung und Befragung durchgeführt. Dazu wurden 1.370 Radfahrende in Deutschland befragt, die Radfahrstreifen oder Schutzstreifen befuhren. Von ihnen wurden Radfahrstreifen (durchgezogene Linie) etwas sicherer eingeschätzt als Schutzstreifen (gestrichelte Linie). Insbesondere schmale Schutzstreifen mit weniger als 1,5 Meter Breite wurden als weniger sicher bewertet.

Der Überholabstand von Kraftfahrzeugen war das meistgenannte Argument für die unsichere Wahrnehmung beim Fahren. Auch diese Ergebnisse stimmen mit der Tagesspiegel-Umfrage vom letzten Sommer überein. Am zweithäufigsten wurden Behinderungen durch Halten und Parken auf den Streifen genannt. Die Gefahr von Dooring wird kaum wahrgenommen: Lediglich 4 Prozent benannten sie als Problem. Das passt unglücklicherweise auch dazu, dass plötzlich geöffnete Autotüren leider die häufigste Unfallursache auf Schutzstreifen abseits von Kreuzungen ist. Das ist ein Problem: wer sich dieser Gefahr nicht bewusst ist, begegnet ihr nicht mit besonderer Vorsicht und großem Abstand. 

Andreas Baum

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