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Berlin: Szenen einer Ausstellung

Zum Abschied der MoMA-Show: Die besten Anekdoten aus den vergangenen sieben Monaten

Eine junge Frau mit Begleitung und erkennbar großem Bauch will am Eingang eingelassen werden – ohne Wartezeit, wie es die Veranstalter Schwangeren versprochen haben. Als der Wachmann sie durchwinken will, verrutscht ein Kissen unter ihrem Pullover. Die Schwangerschaft ist dahin, sie muss sich anstellen.

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Eine junge Mutter hat mit ihrem Säugling drei Stunden angestanden, um in die Ausstellung zu kommen. Es war heiß draußen. Den ersten freien Platz auf einer Sitzbank vor einem großen Rousseau-Gemälde nutzt sie, um das Kind zu stillen. Eine Aufseherin weist sie darauf hin, dass sie das hier nicht dürfe. „Ich bitte Sie“, sagt die Mutter, „das schockiert doch heute keinen mehr.“ – „Da haben Sie wahrscheinlich Recht“, sagt die Aufseherin. „Aber essen und trinken ist in der Ausstellung strengstens verboten.“

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Ein Sonntagmorgen. Vor der Neuen Nationalgalerie stehen ein paar Feldbetten. Peter Raue, der Chef der Ausstellungsmacher, ist verdutzt. Er spricht einen jungen Mann an, woher die Betten kommen. Der erkennt Raue nicht, bietet ihm aber generös an: „Sie können gerne eins mieten. Zehn Euro das Stück.“

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Eine junge, sehr hübsche Frau betritt die Ausstellung mit einem jungen Mann, der ebenfalls ausgesprochen apart aussieht. Auf einmal rücken die Veranstalter an, um sie als Jubiläumsbesucherin zu beglückwünschen. Als sie den Fotografen bemerkt, sagt sie: „Oh, keine Bilder bitte, nicht mit diesem Mann! Sonst bekomme ich zu Hause mächtig Ärger.“

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Mitte Juli gelangen 1000 gefälschte VIP-Karten in den Umlauf. Die Kripo ermittelt. Relativ schnell ist bekannt, wer die Karten gefälscht hat. Die Veranstalter fragen den Fälscher, was das sollte? Dessen Antwort: „Wenn es keine VIP-Karten gibt, muss man sie eben selbst machen!“ Leuchtet zumindest ein.

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Ein Architekt aus den USA hat eine Dreitageskarte gekauft. Er wolle nur mal eben den Mies-van-der-Rohe-Bau sehen, sagt er am Eingang. Nach einer halben Stunde verlässt er die MoMA-Show wieder.

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Anfang September. Der Kampf um die besten Plätze in der MoMA-Schlange beginnt jetzt in der Nacht. Hartnäckige lassen sich mit Schlafsäcken nieder. Trotzdem gelten die üblichen Verhaltensregeln. Als ein Schüler bemerkt, wie sich ein Herr mittleren Alters vordrängeln will, sagt er scharf: „Legen Sie sich gefälligst hinten an!“

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Ein Ehepaar mittleren Alters, der Kleidung nach zu urteilen mindestens gehobene Mittelschicht, kommt mit VIP–Karten. Eine halbe Stunde später sagt er zu ihr im Herausgehen: So habe er sich das nicht vorgestellt. „Ein Glaskasten, ein paar Schwarzweißbilder und fast nur Garderobe.“ Den Keller, die Ausstellung also, scheint er nicht gesehen zu haben.

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Ein Student verdient Geld damit, dass er Besuchern das Schlangestehen abnimmt. Für zehn Euro die Stunde. Während seine Auftraggeber auf dem Potsdamer Platz Kaffee trinken, rückt er für seine Kundschaft Meter für Meter vor. Kurz vorm Eingang übergibt er seinen Platz und stellt sich wieder hinten an. Weil das Geschäft gut läuft, bedient der Mann statt der erlaubten fünf Kunden zwanzig gleichzeitig. Folge: Hausverbot.

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Das Museum ist überfüllt, die Veranstalter schließen die Schlange. Eine Dame protestiert: „So eine Unverschämtheit! Ich bin extra aus Charlottenburg hierher gekommen.“

Marc Neller

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