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T-Shirt-Sprüche: "Wenn ich sterbe, dann besoffen"

1.-Mai-Demonstranten haben auch was zu sagen – am liebsten per T-Shirt. Ein Überblick.

Von Frank Jansen

Der Mensch neigt dazu, sich mitzuteilen. Manche sind allerdings skeptisch, ob die Stimmbänder reichen. Dann werden rumorende Befindlichkeiten noch textil verkündet, am liebsten auf dem Leibchen. Walpurgisnacht und 1. Mai sind da wunderbare Gelegenheiten, vielen Menschen eine persönliche Botschaft nahezubringen. Und der Drang nimmt offenbar zu. Es lohnt sich, mal mitzuschreiben.

„Respektlos Scheisse und Jung“ verkündet in der Walpurgisnacht das T-Shirt eines Alt-Punks auf dem Boxhagener Platz. Nun gut, nicht jede Message muss bis zum letzten Wort der Wahrheit entsprechen. Hochaktuell hingegen wirkt der Spruch auf dem Rücken eines leicht schwankenden Glatzkopfs mit Bierflasche: „Wenn ich sterbe, dann besoffen“. Ein anderer Punk begnügt sich mit „Lowest of the low“. Vehementen Widerspruch provoziert das nicht.

Hoffest der NPD am Mittag des 1. Mai. Skinheads und andere Menschen mit Haarmangel stehen und sitzen dicht gedrängt in der Parteizentrale in Köpenick. Ein wuchtiger Kurzgeschorener ist in einem Kameradenknäuel so eingeklemmt, dass sich ein halbes Gedicht von seinem Schwarzshirt-Rücken abschreiben lässt. „Ich steck’ noch tief im Heidentum / und glaube nicht an Zebaoth! / Mein Zion ist Walhalla, das Hehre / und Wotan ist mein Herr und Gott!“ Plötzlich dreht sich der Schrank zur Seite. Schade. Irgendwas war doch noch mit Sonne und Finsternis. Wotan wird’s wissen.

Die anderen Botschaften sind nazitypisch unoriginell. „Keine Gnade“, das glaubt man sofort, oder das unvermeidliche „Todesstrafe für Kinderschänder“. Bloß weg hier.

Dann der Abend des 1. Mai in Kreuzberg. Hier treffen sich so viele Extrovertierte mit beschrifteten T-Shirts, dass fast eine Art Sammelpredigt zusammenkommt. Da wäre „rot denken – grün wählen – schwarz arbeiten“ auf dem Bauch eines standhaften Rebellen Anfang 30. Ein Hausbesetzer-Typ droht „Köpi bleibt oder Knut stirbt“. Hat sich aber erledigt: Die Bewohner des Hausprojekts in der Köpenicker Straße haben seit einem Jahr Mietverträge, der Eisbär tappt längst wieder unbeschwert durchs Gehege.

Nachdenklich macht ein mutmaßlicher Student, der auf schwarzer Baumwolle sinniert: „Der Kapitalismus hat auch seine Schattenseiten“. Wahrscheinlich ist das ein Aufruf zur Bildung eines Gesprächszirkels, der akribisch das Helle und das Dunkle der gegenwärtigen Wirtschaftsform zu unterscheiden sucht. Da könnte interessant sein, was der Mann beim nächsten Maifeiertag trägt. Weniger zweifelnd argumentiert ein Schwarzkappenlinker mit der Shirt-Parole: „Kapitalismus war als Kind schon Scheiße“. Wie wird das erst, wenn der Kapitalismus in die Jahre kommt?

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