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Berlin: Tag der Deutschen Einheit: Deutschland mampft aus einer Hand

Feiertags bleiben die Geschäfte zu und man kann nichts kaufen? Von wegen!

Feiertags bleiben die Geschäfte zu und man kann nichts kaufen? Von wegen! Zum Einheitsfest am Reichstag gab es gestern Kettchen, Mützen und Hüte, Nahe-Weine, Geldbörsen, Schmuck, italienische Pasta, Topfpflanzen, Kuchen. Ein T-Shirt-Händler bot ein blaues Hemd mit dem FDJ-Emblem der aufgehenden Sonne, daneben eins mit dem Aufdruck "Ich Chef, Du nix" und schließlich noch eins mit fünfzackigem roten Stern auf der Brust, darunter die Erklärung: "Staatsfeind". Wer das etwas komisch fand, konnte sich gleich einen kleinen Schnaps hinter die Binde gießen, und wem der Magen knurrte, der war bei langen Würstchen, Pilzen aus der Chinapfanne und Flammkuchen richtig. Er musste sein Kassler mit Sauerkraut aber aus der flachen Hand essen, weil Stehtische "aus Sicherheitsgründen" verboten waren. Wir wunderten uns wandernd weiter: Auch die auf jedem Jahrmarkt so beliebten Crêpes warteten auf Kundschaft, und die Frauen hinter den Tresen der Schießbuden konnten einem richtig Leid tun, weil gestern am frühen Nachmittag keinem so recht nach Schießen war.

Wer kulinarisch durch Deutschland reisen wollte, musste auf dem Pariser Platz nur von Stand zu Stand gehen. Hamburger Bratwurst, Brandenburger Spreewaldgurken, Niedersachsens Kartoffelpuffer, Bayerns Schmankerl, Nordrhein-Westfalens Erbsensuppe, Pfälzer Saumagen, und in Sachsen-Anhalt noch rasch ein Halberstädter Würstchen geknackt und mit einem Schlückchen Saale-Unstrut-Wein veredelt - Deutschland, einig Mampferland.

Und wo bleibt das Patriotische? Da kam es auf uns zu, hatte ein schwarz-rot-goldenes Fähnchen in der Hand und lallte: "Ick bin Nationalist, ick bin überzeugter Deutscher, aba leider bin ick der einzije mit eene Fahne". Naja. Am Kiosk gegenüber dem Adlon waren deutsche Banner mit und ohne Bundesadler sehr begehrt. Vor allem bei ausländischen Touristen.

Die Stimmung auf diesem "Marktplatz Deutschland" mit der Ausstrahlung eines durchschnittlichen Straßenfestes änderte sich, als blauer Himmel und Herbstsonnenschein den Regen vergessen machten. Dank sei dem ZDF, das mit dem Solidaritätskonzert "Gemeinsam gegen Terror" der Stimmung dieser Tage entsprach und auf zwei Bühnen namhafte Solisten und Talk-Gäste eine Live-Übertragung bestreiten ließ. Udo Jürgens sang "Ich werde da sein, mittendrin in Freud und Leid" und sagte: "Wir müssen Frieden haben unter verschieden denkenden Menschen und gegen Gewalt zusammenstehen". Jeder sei aufgerufen, an seinem Platz Solidarität zu zeigen. Die Menge klatschte Beifall. Und plötzlich war Ernst unter der großen Fahne der Einheit, wo die stählernen Buchstaben "3. Oktober 1990" an einen historischen Tag erinnerten.

Lo.

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