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Berlin: Tanz der Kugeln

Der Berliner Andreas Wessels ist Deutschlands bester Fußball-Jongleur Mit dem Fifa-Spielzeug „Team-Spirit“ kann er aber wenig anfangen

Es gibt einen unsichtbaren Punkt auf dem Rasen, an dem sich Fußball in Magie verwandelt. Oder in eine metaphysische Handlung. Diego Maradona kannte diesen Punkt. Andreas Wessels kennt ihn auch. Er trägt das lange Jackett des Zauberers. Er ist der Mann, der sechs Fußbälle minutenlang daran hindert, den Boden zu berühren. Wenn die Bälle an seinen Fingern kreisen, guckt er wie ein Samurai kurz vor dem Angriff. Fußball-Jonglage ist Kampfsport. Es ist der Wille, den Ball zu kontrollieren, gegen die physischen Gesetze des menschlichen Körpers.

Andreas Wessels kennt sonst niemanden, der sechs große Bälle gleichzeitig jonglieren kann, zwischen Händen, Füßen und Kopf – so, dass sie sich unterwegs nicht gegenseitig aus der Flugbahn stoßen. Dazu muss man überdurchschnittlich große Handteller haben. Und viel Kraft, um die Wucht des Aufpralls aus einigen Metern Höhe abzufedern. Weil der Fifa-Fußball „Team-Spirit“ zu glatt ist, macht Wessels die Jonglage lieber mit griffigen Volleybällen. Er probt gerade, von sechs auf sieben Bälle zu erhöhen, aber sein Gehirn weigert sich noch mitzuziehen. Das Hirn eines Jongleurs muss man sich wie eine gut eingestellte Ballwurfmaschine vorstellen. Lässt man sie einen Takt schneller laufen, purzelt alles durcheinander.

Der 33-jährige Andreas Wessels ist Varieté-Künstler geworden, weil ihm eine Karriere als Fußballprofi wenig aussichtsreich erschien. Mit seinem Verein „Wacker 21 Lankwitz“ dribbelte er sich bis in die Verbandsliga, musste aber feststellen, dass seine technische Klasse in der Mittelfeldposition durch läuferisches Unvermögen torpediert wurde. Ohne Gegner und lästige Regeln lässt sich der Ball viel virtuoser um den Körper rollen, von der Hand über die Schulter zum Nacken, von dort auf den Kopf. Kleine Kunststücke wie das Kreisen auf der Fingerkuppe konnte Wessels schon immer, einfach so. Genau wie Maradona. Hat man dieses Anfängertalent nicht, sollte man es mit der Fußballjonglage bleiben lassen.

Mit seinen langen Haaren, wasserblauen Augen und dem trainiertem Körper kann Wessels auch ohne Ball beim Publikum punkten. Auftritte in kleinen Hinterzimmer-Varietés sind längst passé. Vor der ersten Show im Olympiastadion, beim Lokalderby Hertha BSC gegen Tennis Borussia, warnte ihn der Stadionsprecher. Dem Block mit den eingefleischten Hertha-Fans solle er besser den Rücken zuwenden. Fußbälle in der Luft herumzuwerfen, fänden die blöd. Es ging aber alles gut. Wessels wurde mit Applaus vom Rasen geschickt. Im Umfeld der WM tritt er bei Empfängen und Galas auf.

Zum Jonglieren hat er eine „Hassliebe“ entwickelt, erzählt der Ballmagier und schabt mit dem Daumennagel an einer Fußballhaut. Er kennt jeden Quadratzentimeter seiner runden Bühnenpartner. Ein Jongleur würde seine Bälle nie aus der Hand geben oder ins Publikum schießen. Jeder einzelne hat eine Geschichte und persönliche Bindung zu seinem Chef. Tägliches Training von sechs Stunden schweißt zusammen, verhindert aber nicht, auf der Bühne plötzlich zu versagen. Wie ein Fußballer beim Elfmeter. Solche Augenblicke überspielt man als Profi. Die Zuschauer nehmen das weniger übel als die Fans einen verschossenen Elfmeter. Aber das Ego nimmt Schaden. Und das muss im richtigen Moment so groß sein wie ein Heißluftballon. Wenn der Jongleur von der Bühne geht, sollte es wieder auf Normalgröße zusammenschnurren. Wessels gelingt das noch ganz gut. Maradona hatte da größere Probleme.

Andreas Wessels tritt mit seiner Fußballshow „11“ vom 21. Juni bis 9. Juli im Estrel-Hotel auf. Beteiligt sind auch der ungarische Stargeiger Edvin Marton und die siebenfache Deutsche Meisterin in der Rhythmischen Sportgymnastik, Kristin Sroka. Tickets unter Tel. 68 31 -68 31.

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