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Tatverdächtiger aus Clan-Milieu: Ex-Ehemann soll 36-Jährige in Berlin-Zehlendorf erstochen haben
Eine Frau trennt sich von ihrem gewalttätigen Mann, bringt ihre vier Kinder per Gerichtsbeschluss in Sicherheit. Doch der Ex-Mann lauert ihr auf, tötet sie brutal. „Ein Femizid“, sagt die Staatsanwaltschaft.
Stand:
Am Tag darauf herrschen Entsetzen und Sprachlosigkeit in der Wohnsiedlung in der Hampsteadstraße. „Mein Mann hat gestern Abend die Polizei und die Feuerwehr gerufen“, sagt eine 34-jährige Anwohnerin am Donnerstagmorgen einem Tagesspiegel-Reporter. Er sei vom S-Bahnhof Zehlendorf um kurz nach 20 Uhr nach Hause gekommen und habe Schreie gehört.
Es waren die Schreie einer 36-Jährigen, die auf brutalste Weise erstochen wurde, mutmaßlich von ihrem Ex-Ehemann. Nach Tagesspiegel-Informationen soll das Opfer durch eine „ungewöhnlich große Zahl“ an Stichen getötet worden sein. Der Tatort befindet sich laut Polizei auf dem Gehweg vor dem Wohnhaus der Frau und ihrer Kinder.
Die 36-Jährige wurde von Rettungskräften zunächst vor Ort reanimiert, dann sofort in die Charité gebracht. Doch auch auf dem nahen Benjamin-Franklin-Campus der Universitätsklinik in Steglitz konnten Ärzte sie trotz Notoperation nicht retten.
Wir gehen davon aus, dass der Täter sich durch die Trennung in seiner Ehre verletzt gefühlt hat. Um diese wiederherzustellen, entschied er sich, seine Ex-Frau umzubringen.
Sebastian Büchner, Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft
Ein 50-jähriger Tatverdächtiger wurde wenig später festgenommen und sitzt mittlerweile in Untersuchungshaft. Das teilte die Generalstaatsanwaltschaft Berlin am Donnerstag auf X mit. Demnach sei ein Haftbefehl wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen erlassen worden.
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„Bei dem Verbrechen handelt es sich unserer Einschätzung zufolge um eine Beziehungstat, einen klassischen Femizid“, sagte Sebastian Büchner, Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft. Femizid bedeutet, dass Frauen aufgrund ihres Geschlechts getötet werden – also weil sie Frauen sind. Als häufigste Form gilt die Tötung von Frauen durch Partner oder Ex-Partner.
Es habe in der Ehe bereits mehrfach Fälle häuslicher Gewalt gegeben, sagte Büchner. Schließlich habe sich die Frau getrennt und über ein Gericht ein Annäherungsverbot erwirkt: Der Ex-Ehemann dufte sich ihr nicht nähern, sie nicht ansprechen, sondern musste einen vorgeschriebenen Abstand halten.
Am Mittwoch dann soll der Mann seiner Ex-Frau vor dem Haus aufgelauert und sie getötet haben.
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Zum mutmaßlichen Motiv äußerte sich Büchner weiter: „Wir gehen davon aus, dass der Täter sich durch die Trennung in seiner Ehre verletzt gefühlt hat. Um diese wiederherzustellen, entschied er sich, seine Ex-Frau umzubringen“. Täter und Opfer sind Libanesen, gemeinsam haben sie vier Kinder.
„Hier ist alles friedlich, eigentlich“
Nachbarn äußern sich am Donnerstag schockiert über die Bluttat. Ein 40-Jähriger erzählt, das Opfer der Messerattacke habe mit ihren vier Kindern über seinem Vater gewohnt, den er regelmäßig in der Wohnanlage besucht. Die Frau sei alleinerziehend gewesen, „der Mann durfte sich ihr nicht nähern“. Seit etwa drei Jahren sei sie mit den Kindern in der Wohnsiedlung gewesen.
Das Verhältnis zum Opfer beschreibt der 40-Jährige als freundlich und zugewandt. „Man hat sich gegrüßt, sie waren immer freundlich, es war Leben in der Bude.“ Es tue ihm unendlich leid, „vor allem für die Kinder“.
Ich habe Angst, dass es mit diesen mittelalterlichen Clan-Gesetzen zu tun hat.
Nachbarin, 65
„Ich bin geschockt“, sagt eine 65-jährige Nachbarin. „Ich habe Angst, dass es mit diesen mittelalterlichen Clan-Gesetzen zu tun hat.“ Die Tat miterlebt hat sie nicht. Sie sagt: „Wir können nirgends in der Stadt die Augen vor Femiziden verschließen.“
Eine andere Nachbarin, sie trägt Kopftuch, hat von dem Angriff nichts mitbekommen. „Voll krass, man will doch einfach nur in Sicherheit wohnen“, sagt die 26-Jährige.
Das Gebäudeensemble zwischen Hampsteadstraße und Herbergerweg umfasst insgesamt acht Wohnhäuser mit jeweils sieben Wohneinheiten. Die Anlage aus den 1970er-Jahren gehört dem landeseigenen Wohnungsunternehmen Degewo. Es seien schöne, gut geschnittene Wohnungen, sagen einige Anwohnerinnen.

© Boris Buchholz
„Es ist wie eine kleine Gemeinschaft, ein Querschnitt der Gesellschaft“, sagt die 65-jährige Nachbarin. „Hier ist alles friedlich, eigentlich.“
Polizei muss Klinik sichern
Der 50-jährige Tatverdächtige gehört nach Tagesspiegel-Informationen der Großfamilie B. an. Das ist deshalb von Bedeutung, weil viele Mitglieder des aus dem Libanon stammenden Clans regelmäßig in Gewalttaten verwickelt sind.
Die B. gelten zudem als Sympathisanten der islamistischen Hisbollah. Wie ein Szenekenner dem Tagesspiegel vergangenes Jahr sagte, spendeten Einzelne aus der weit verzweigten Großfamilie für das schiitische Netzwerk, das durch Terror den Südlibanon seit Jahrzehnten beherrscht.
Polizisten mussten die Klinik sichern, weil sich am Abend 50 Männer und einige Frauen davor versammelt hatten. Regelmäßig werden auch in anderen Städten Pflegekräfte und Ärzte in Notaufnahmen bedroht, wenn Angehörige von Großfamilien dort behandelt werden.
Immer wieder müssen nach Auseinandersetzungen zwischen Clans auch Patienten geschützt werden, weil ihnen Kontrahenten im Krankenhaus nachstellen könnten.
Ob sich die Anwesenden vor der Charité versammelten, weil sie dem Opfer beistehen wollten, oder um sich mit dem mutmaßlichen Täter zu solidarisieren, ist derzeit unklar. Welcher Anwalt in dem Fall das Mandat übernommen haben könnte, war am Donnerstag nicht bekannt. Eine Mordkommission ermittelt.
Urteile zu Femiziden in Berlin
Im vergangenen Jahr hatten Urteile zu Femiziden in Berlin für Aufmerksamkeit gesorgt. Zwei afghanische Brüder waren zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe wegen des Mordes an ihrer Schwester verurteilt worden. Laut Landgericht hatten die Brüder sie im Juli 2021 getötet, ihre Leiche in einem Koffer mit dem Zug nach Süddeutschland gebracht und dort in einem Wald vergraben. Der Mord geschah, weil die Schwester nach eigenen Vorstellungen leben wollte und das nicht den Moralvorstellungen der Familie entsprach. Das Urteil ist rechtskräftig.
Ebenfalls 2023 wurde der Ehemann einer sechsfachen Mutter zu lebenslanger Haft verurteilt. Er hatte sie nach Überzeugung des Gerichts aus Rache ermordet. Auf offener Straße hat er demnach die Frau aus Afghanistan mit einem Jagdmesser attackiert – nur wenige Wochen nach ihrer Trennung. „Er hat die Frau als seinen Besitz betrachtet“, so der Richter im Urteil. „Er ist maßlos eigensüchtig, verschlagen, manipulativ und bösartig.“
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Einer der bekanntesten Fälle war der Mord an der Deutsch-Kurdin Hatun Sürücü, die 2005 in Berlin an einer Bushaltestelle von ihrem jüngsten Bruder durch drei Kopfschüsse getötet wurde, weil sie ein selbstbestimmtes Leben nach westlichem Vorbild führen wollte.
Gewerkschaft: Polizisten geraten bei Stalking-Betroffenen an ihre Grenzen
Die Gewerkschaft der Polizei spricht angesichts des Todes der Frau in Zehlendorf davon, dass Tötungen von Frauen ein wachsendes Problem in unserer Gesellschaft seien.
„Die gesetzlichen Möglichkeiten zur Wegweisung, zum Betretungsverbot und zur Ingewahrsamnahme von Tätern sind mit Blick auf die Anzahl von Plätzen in Frauenhäusern zu gering und greifen oftmals viel zu kurz“, sagte GdP-Sprecher Benjamin Jendro. Polizistinnen und Polizisten gerieten immer wieder an ihre Grenzen, wenn es darum gehe, Betroffene von häuslicher Gewalt oder Stalking schnellstmöglich aus dem Gefahrenbereich zu bringen.
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