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Berlin: Techno-Tänzer tragen Trauer

Vor einem Jahr schloss der legendäre Club „Ostgut“. Einen Ersatz gibt es bisher nicht – aber vielleicht im Sommer?

Seit genau einem Jahr ist ein Großteil der Berliner Techno-Tänzer heimatlos. Denn Anfang Januar gingen im Ostgut, einer alten Lagerhalle an der Mühlenstraße, die Lautsprecherboxen aus. Vorbei waren die Zeiten, dass sonntagmorgens um vier Uhr eine Schlange fröstelnder Partygänger auf die Gnade wartete, von den Türstehern eingelassen zu werden. Und dass nur, um anschließend im spartanischen Industrie-Ambiente zu ohrenbetäubender lauter Techno-Musik tanzen zu können. Da stampfte der schwule Muskelmann neben dem Vorstadt-Party- Girl, loteten Männer und Frauen munter aus, was körperliche Nähe bedeuten kann. Als die allerletzte Party nach zwei Tagen vorüber war, blieb für das Clubleben der Stadt vor allem eines: eine Leerstelle. Schließen musste das Ostgut, weil es auf dem Gelände steht, auf dem die Anschutz-Halle samt neuem Viertel gebaut werden soll. Noch drehen sich hier keine Kräne.

Das „Ostgut-Gefühl“ – eine diffuse Mischung aus sexueller Freizügigkeit und Techno-Klangwelt – versuchen Veranstalter und Besucher an vielen Orten aufzuspüren. Vergebens. Der Technoclub im Friedrichshain gilt als unerreicht, wie auch Nick Höppner meint. Der Discjockey legte einst der Panoramabar auf, die sich in der oberen Etage des Ostguts befand. „Das war so einmalig, dass man nicht versuchen darf, daran anzuknüpfen. Das ist abgehakt.“ Mit seinen Kollegen von einst steht er für die Labradorbar-Party in der Pfefferbank, einem Club in der in der Schönhauser Allee, am Plattenteller. „Wir versuchen genauso wie dort ein hetero- und homosexuelles Publikum unter einen Hut zu bringen, aber wir buhlen nicht mit dem Namen Ostgut.“

Die Partygänger suchen aber genau das. Bereits im Februar kursierten erste Gerüchte über eine bevorstehende Wiedereröffnung des Techno-Clubs – mehr gespeist durch Hoffnung denn durch Fakten. Der Watergate-Club in Kreuzberg gelangte unfreiwillig in den Ruf, ein würdiger Nachfolger zu werden – wegen seines Musikprogramms. Aber die Mischung des Publikum ist völlig anders.

Der neueste Anwärter auf ein „ostgutes“ Klima ist die „MS Edelweiss“. Der zum Club umgebaute Frachtkahn hat in der Nähe der Schillingbrücke zwischen Friedrichshain und Kreuzberg festgemacht, nicht allzu weit vom alten Ostgut entfernt. Auch wenn sich Ambiente, Sound und Publikum ähneln: Veranstalter Elmar Lendzian will sich keinen Ostgut-Stempel aufdrücken lassen.

Indes staunen die Ostgut-Betreiber, zwei um strikte Anonymität bemühte Herren, über das anhaltenden Echo auf ihren Club: „Uns war während des laufenden Betriebes nicht bewusst, wie wichtig der Laden für viele Gäste war.“ Wehmütige Erinnerungen an alte Zeiten gibt es nicht. „Jede Zeit hat ihr Nachtleben mit den entsprechenden Clubs.“ Eine Wiederöffnung des Ostguts an anderem Ort schließen sie aber nicht aus, und ein mögliches Datum gibt es auch: „Vielleicht im Spätsommer 2004.“ Dann wäre die Leerstelle im Clubleben gefüllt.

Labradorbar, in unregelmäßigen Abständen in der Pfefferbank, Schönhauser Allee 176a

MS Edelweiss, www.edelweissberlin.de

Watergate, Falckensteinstr. 49

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