zum Hauptinhalt
Tempelhof

© AFP

Tempelhof-Kampagnen: Mehr Reden für mehr Ruhe

Die Befürworter der Tempelhof-Schließung starten ihre finale Kampagne - und kämpfen gegen Vorurteile an: "Niemand will das Gebäude abreißen".

Heinrich Krüger, 63, ist im vorzeitigen Ruhestand, doch zur Zeit hat er von frühmorgens bis in die Nacht hinein „alle Hände voll zu tun“ – mehr, als jemals zuvor im Berufsleben als Wirtschaftswissenschaftler. Krüger verteilt auf der Straße Flugblätter, gibt Fernsehteams aus ganz Europa Interviews oder koordiniert die Einsätze der 20 Aktivisten der Bürgerinitiative „Tempelhof flugfrei“ für die Schließung des City-Airports. Die Initiative vereint all jene, die sich als Anwohner des Flughafens vom Fluglärm und Absturzgefahren unmittelbar betroffen fühlen. Sie sind sozusagen die Vorposten des stadtweiten „Bündnisses für ein flugfreies Tempelhof“. Ab heute starten sie mit dessen Mitgliedern eine letzte Offensive vor dem Volksbegehren zur Zukunft von Tempelhof am kommenden Sonntag.

Von der jüngsten Meinungsumfrage im Auftrag des RBB, nach der sich jeder zweite Berliner für die Erhaltung des Flughafens ausspricht, fühlen sich die Tempelhof-Gegner nicht entmutigt. „Im Gegenteil“, sagt Heinrich Krüger, denn bisher habe ihr Gegenspieler, die Interessengemeinschaft City-Airport Tempelhof (Icat), immer behauptet, 73 Prozent der Berliner wollten Tempelhof bewahren. „Also sieht die jetzige Zahl doch für uns schon viel besser aus.“

Geplant sind in den nächsten Tagen Verteilaktionen an den S- und U-Bahnhöfen, Straßenstände, Briefaktionen und Diskussionsveranstaltungen. Neue Plakate gibt es nicht. Die bisherigen Plakate des Bündnisses, die sich vor allem gegen den Plan eines Vip-Flughafens „für Superreiche“ richten, müssen ausreichen. „Für mehr haben wir kein Geld, wir leben vom ehrenamtlichen Engagement, Spenden und der Unterstützung durch die Parteien, die einen Weiterbetrieb des Flughafens ablehnen“, sagt der Koordinator des Bündnisses, Tilmann Heuser. Allein die Großplakate der Tempelhof-Freunde seien teurer als die gesamte Gegenaktion.

Heuser ist im Hauptjob Landesgeschäftsführer des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND). Ende Februar hat sich das lockere Bündnis gegründet. SPD, Linke und Grüne, Umweltschutzverbände, der Verkehrsclub Deutschland, die Arbeiterwohlfahrt gehören unter anderem dazu. Inzwischen auch die Deutsche Umwelthilfe, die Gewerkschaft Verdi und die Bürgerinitiative Westtangente. Zentrales Verständigungsorgan ist die Internetseite www.tempelhof-flugfrei.de. „Ansonsten agiert jeder eigenständig“, sagt Heuser.

Das erklärt wohl auch, weshalb die Tempelhof-Gegner lange nicht so schlagkräftig wirken wie die Träger des Volksentscheids, die mit der Interessengemeinschaft City-Airport Tempelhof (Icat) einen handlungsfähigen und finanzkräftigen Akteur haben, unterstützt von CDU, FDP und der Wirtschaft.

Trotzdem zeigen die Aktivisten kein Zeichen von Resignation. „Wir kämpfen bis zum Schluss für unsere Sache“, sagt Manfred Herrmann, der sich gegen den Flugbetrieb engagiert, obwohl er weiter weg auf Stralau in Friedrichshain wohnt. Jetzt, in der letzten Werbephase, müsse man noch einmal deutlich machen, welche „tollen neuen Projekte“ auf dem heutigen Fluggelände entstehen könnten – vom Freizeitpark bis zu großen Museen. Und „dass man die Erinnerung an die Luftbrücke“ in einem solchen neugeschaffenen Umfeld viel besser bewahren könne, als bei laufendem Flugbetrieb. Dies betont das Bündnis, weil nach der jüngsten Umfrage gut die Hälfte der Tempelhof-Befürworter den Flughafen aus traditionellen Gründen erhalten wollen.

Im Gegensatz zur Icat fällt es dem Bündnis allerdings erheblich schwerer, Sympathisanten zu mobilisieren. „Viele Tempelhof-Befürworter verlassen sich drauf, dass der Senat sowieso bei seiner Entscheidung bleibt, egal wie der Volksentscheid ausgeht“, sagt BUND-Geschäftsführer Tilmann Heuser. Außerdem müsse man gegen viele Vorurteile angehen. „Besonders ältere Leute glauben, dass Flughafengebäude werde abgerissen.“ Andere seien besorgt, dass die Visionen für Tempelhof unrealistisch seien, das Gelände nach der Schließung vielmehr verrotten und in die Hände von Drogenhändlern fallen könnte. Außerdem zeige sich bei den Straßeneinsätzen, dass die Mega-Berichterstattung allmählich zum Überdruss führe. „Berlin habe doch ganz andere Probleme, hören wir oft.“ (za/CS)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false