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Berlin: Thekentanz: "Drei"

In Prenzlauer Berg tragen Lokale üblicherweise Namen wie "Lokomotive", "de facto" oder "Kaffeemühle". Eine junge und gleichwohl spät-alternative Szene erkennt sich in solchen Spielereien wieder, der urbane Kuschelfaktor ist hier so stark entwickelt wie früher nur in Kreuzberg.

Von Frank Jansen

In Prenzlauer Berg tragen Lokale üblicherweise Namen wie "Lokomotive", "de facto" oder "Kaffeemühle". Eine junge und gleichwohl spät-alternative Szene erkennt sich in solchen Spielereien wieder, der urbane Kuschelfaktor ist hier so stark entwickelt wie früher nur in Kreuzberg. Wenn dann an einer Hauswand "Drei" zu lesen ist, scheint erneut juvenile Gemütlichkeit angesagt zu sein. Oder etwa nicht?

Als Kontrapunkt zur Tür schwingt sich der Tresen in den Raum. Wie ein Elefantenstoßzahn beschreibt die elfenbeinfarbene Auflage einen 90 Grad Winkel. Farbe und Geometrie wirken edel und kühl, wobei der Eindruck einer gewissen Temperaturschwäche noch durch die Zugluft aus der Türöffnung verstärkt wird. Dies dämpfte ein wenig das Wohlgefühl von drinking man und compañera, als sie auf den gleichfalls elfenbeinfarbenen Rundhockern Platz genommen hatten.

Obwohl die kühle Sachlichkeit des Drei eigentlich einen angenehmen Eindruck vermittelt: Da ist ein Stück vom Bezirk Mitte in den Prenzlauer Berg geraten. Wie vermutlich die trendy people, die sich im angeschlossenen Restaurant dezentem Smalltalk samt Nahrungsaufnahme hingaben. Unter großen Edelufos. Jedenfalls wirken die mit weißbraunem Stoff überzogenen, Rundplattenleuchten wie eine Deckenvariante der Beam-Station des Raumschiffs Enterprise.

Von den Hockern hat man einen schönen Blick ins Restaurant, das laut Karte "californisch-panasiatische Küche" bietet - und obendrein ein großes Rätsel. SIE WERDEN SICH DARAN GEWOEHNEN MUESSEN, DIE REALITAET FUER EINE FIKTION ZU HALTEN ist auf einem großen Gemälde in weinroten Buchstaben zu lesen. Leicht verunsichert versuchte das drinking couple dennoch, reale Drinks zu ordern. Die von der freundlichen Powerfrau hinter dem Tresen dann auch rasch gemixt wurden.

Im El Presidente (Weißer Rum, Vermouth Rosso, Vermouth Dry, Grenadine) lagerten zwei Cocktailkirschen, außerdem kringelte sich an der Glaswand eine lange, dünne Orangenschale entlang. Der Geschmack des Präsidenten war der kreativen Präsentation durchaus ebenbürtig. Das galt auch für den Galliano Colada (Weisser Rum, Wodka, Galliano, Cocos Creme, Sahne, Ananassaft). Animiert durch die periodische Zugluft im Rücken bestellte dann der drinking man einen Cocktail, der für eine winterliche Café-Session mit dicken Torten taugen könnte. Der Kirsch Colada (mit Cherry Brandy und Kirsch Nektar) kam auch erwartet wuchtig, ließ aber ein wenig das Kirscharoma vermissen. Vielleicht wird es im Januar stärker.

Unbedingt erwähnt werden muss noch die Lounge. Beim Drei ähnelt sie mehr einem Séparée: Der Raum links vom Tresen wird von Windlichtern nur sparsam beleuchtet, die blaubraunen Polster laden zu intimen Gesprächen ein. Die im Falle zweier Pärchen wohl auch gerade im Gange waren, ohne Unzüchtigkeiten zu demonstrieren. Dennoch ist diese Liebhaben-Lounge ein Hinweis auf den Standort: Der Kuschelfaktor lässt sich in Prenzlauer Berg nirgends fernhalten. Höchstens mondänisieren.

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