zum Hauptinhalt

Berlin: Tiergarten: Grüner Lunge geht die Puste aus

Der neue Baustadtrat des Regierungsbezirks macht Stopp an einem schwarzen Krater, der eine Wiese verunziert. "Krass", sagt Dirk Lamprecht.

Der neue Baustadtrat des Regierungsbezirks macht Stopp an einem schwarzen Krater, der eine Wiese verunziert. "Krass", sagt Dirk Lamprecht. Der Brandfleck ist Überbleibsel einer Grillparty. "Warum sind die Leute nur so rücksichtslos?" Der Bezirkspolitiker macht einen Spaziergang durch den denkmalgeschützten Großen Tiergarten - dienstlich natürlich. Mit dabei ist Christoph Schaaf, der Chef des Gartenbauamts. Er zeigt seinem neuen Chef, wo Wiesen verödet, Sträucher umgeknickt, Trampelpfade entstanden sind. Grillspaß, Fußball, Love-Parade: Der Tiergarten leidet.

CDU-Mann Lamprecht, der quasi die Nachfolge des Horst Poraths (SPD) antritt - des bekanntesten Kämpfers für den Tiergarten -, will dagegen vorgehen. Die Love-Parade-Veranstalter sollte man in Regress nehmen und die Grillzone noch einmal überdenken, fordert er. Außerdem setzt er sich dafür ein, bis zu 30 der insgesamt 203 Hektar für die Öffentlichkeit zu sperren, damit sich die Vegetation erholen kann (wir berichteten).

"Ich will kein Spaßverderber sein", sagt Lamprecht, aber der Tiergarten brauche eine Pause. Die Rasenfläche in Sichtweite des Schlosses Bellevue erinnert an einen Flickenteppich, stellenweise ist nur noch Lehm übrig. Was nach Gras aussieht, sei nur noch "Moos und Unkraut", sagt Schaaf. Die Wiese werde besonders beansprucht. An den Sommerwochenenden grillen dort Hunderte ihre Steaks, zur Love-Parade, wenn die Straße des 17. Juni die Menschenmasse nicht mehr aufnehmen kann, weichen die Raver ins Grüne aus und treten alles nieder. Und das in einem Park, dessen Grundriss Mitte des 19. Jahrhunderts von Peter Joseph Lenné angelegt wurde. "Vor vier Jahren konnte man am Bismarckdenkmal noch Flieder riechen", sagt Lamprecht. Heute seien fast alle Sträucher zerstört. Einst habe ein Dickicht die Parkwege vom Autolärm am Großen Stern abgeschirmt, sagt Schaaf. Nun ist das Strauchband stark ausgedünnt - nicht nur wegen des Winters. Von etlichen Pflanzen sind nur noch Stümpfe übrig, Baumwurzeln, die vor einigen Jahren noch erdbedeckt waren, liegen jetzt offen. Lamprecht beklagt die "Übernutzung" und die "Versteppung". Wiesen und Hecken nahe dem Brandenburger Tor und an der Siegessäule seien am stärksten geschädigt, sagt sein Mitarbeiter. Derzeit verhandelt der Stadtrat mit Firmen, die Zäune vermieten. Er erwägt, zwei Areale für ein halbes Jahr sperren zu lassen - am liebsten schon ab kommendem Sommer. Ein Gebiet liegt im östlichen Teil des Parks zwischen Ebertstraße, Lennéstraße und Entlastungsstraße, das andere zwischen Spreeweg, John-Foster-Dulles-Allee und Straße des 17. Juni - dort, wo im Sommer gegrillt werden darf. Die Idee habe er vom Central Park in New York abgeguckt, sagt Lamprecht. Dort würden Grünflächen reihum für bis zu zwei Jahre von der Öffentlichkeit abgeschirmt. Ohne einen Zaun mache es keinen Sinn, neue Wiesen anzusäen, sagt Schaaf. Die jungen Pflanzen würden sonst bald wieder zertrampelt. Damit dem Bezirk keine Kosten entstehen, will Lamprecht die Zäune eventuell als Werbeflächen vermieten lassen.

Mit einem eingezäunten Grillplatz brächte der CDU-Mann ein Reizthema wieder auf die Tagesordnung. Über die Zone hat es schon etliche Debatten gegeben. Dem Grillen gehen besonders viele Türkischstämmige nach. Mit dem Bild orientalischer Familien am Grill, den Sitz des Bundespräsidenten im Hintergrund, warb Partner für Berlin sogar für die multikulturelle Stadt. Lamprecht will nun überprüfen, ob die Grillzone mit dem Status des Großen Tiergartens als Gartendenkmal zu vereinen ist. Sein Vorgänger Horst Porath (SPD) befürwortete das Grillvergnügen in seiner Amtszeit. Eines haben der neue und der alte Baustadtrat gemein: Beide hoffen darauf, dass die Love-Parade nicht mehr als politische Demonstration genehmigt wird. In diesem Fall wäre es dem Bezirk wahrscheinlich möglich, sich durch die Parade entstandene Schäden am Grün von den Veranstaltern ersetzen zu lassen.

Tobias Arbinger

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false