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Berlin: Tortenschlacht: Espresso-Bar in Mitte

Als Thomas Weis vor etwa zwei Jahren seine "Espresso-Bar" in der Reinhardtstraße aufmachte, war das Haus noch unter einem Baugerüst. Inzwischen ist die Baustelle auf die Straße gewandert, aber die Bar gibt es noch immer.

Als Thomas Weis vor etwa zwei Jahren seine "Espresso-Bar" in der Reinhardtstraße aufmachte, war das Haus noch unter einem Baugerüst. Inzwischen ist die Baustelle auf die Straße gewandert, aber die Bar gibt es noch immer. Wobei die Bezeichnung "Bar" vielleicht schon gefährlich ist: Den Hockern sind auf einer Seite dicke Kanthölzer unter die Beine gestellt worden, die Sitzflächen sind jetzt unangenehm schief. Aber es sind auch keine Hocker, sondern "Stehhilfen", wie ein Aushang belehrt. Denn in der Espresso-Bar darf man nicht sitzen, nicht offiziell jedenfalls. Die Bar ist keine Bar, sondern ein ganz normales Geschäft, ohne Klo und ohne Alkoholausschank.

Dafür gibt es - der Name lässt es erwarten - Espresso, und einen von der besten Sorte. "New York" heißt die Marke, die verwendet wird. Und der neue Chef Ares Michaelides hat an einer liebenswerten und leider nicht selbstverständlichen Sitte festgehalten: Auf den Espresso macchiato (2,90 Mark) und den Cappuccino (3,30 Mark) gibt es ebenso wie in den Milchkaffee (3,90 Mark) nur frische Vollmilch. Keine labberige, komisch riechende H-Milch, und der Schaum ist fest und feinporig, wie er nur wird, wenn die Milch immer ganz frisch ist.

Noch etwas hat er weitergeführt: Auf ein Bonuskärtchen gibt es für jeden Kaffee einen Stempel, der jeweils Elfte ist gratis. Das freut die Stammgäste, zum Beispiel die von der FDP-Geschäftsstelle in der Nachbarschaft, und vor allem aber die Studenten, die auf dem Weg von der Nordmensa der Humboldt-Universität zum Hauptgebäude einen Kaffee trinken wollen, der sich wohltuend vom Cafeteria-Angebot abhebt. Ein bisschen Feinkost und Tramezzini-Toasts und Baguettes gibt es weiterhin - allerdings nur zu den ganz am Arbeitstag ausgerichteten Öffnungszeiten.

Die Muffins (2,90 Mark) und Brownies (2,60 Mark) werden als original "Canadian" angepriesen. Die Brownies gibt es mit oder ohne cremig-leckeren Guss. Sie sind recht saftig, aber die Schokoladestückchen - die Brownies eigentlich erst richtig unwiderstehlich machen - fehlen. Auch die Begleiterin hegt den Verdacht, dass hier vielleicht eine Backmischung im Spiel sein könnte, aber immerhin eine gute. Ihr Brownie ist schön leicht und schokoladig, die Auswahl aus den fünf Sorten ist uns schwergefallen.

Nebenher kann man Zeitung lesen - nicht nur aus dem guten Angebot auf dem Regal und am Haken, sondern auch unter der Tischplatte. Thomas Weis hatte sich die Stehtische im hinteren Teil der Bar - Verzeihung: Laden - so schreinern lassen, dass er unter einer Glasplatte ausgewählte Seiten der aktuellen Zeitung vor Kaffeeflecken sicher und unentwendbar präsentieren kann. Daran und an der Treue zum Tagesspiegel hat sich mit dem Besitzerwechsel nichts geändert.

Nach einiger Zeit stellt man dann auch fest, dass selbst eine Stehhilfe bei richtiger Benutzung ganz schön sein kann, und die erträglichen Preise legen den Gedanken an einen zweiten, garantiert brüllend heißen Espresso nahe. Den kann man auch in aller Gemütlichkeit einnehmen: Auf dem Fensterbrett sitzend, für das noch keine Aufsichtsbehörde eine Auflage erteilt zu haben scheint.

Jörg-Peter Rau

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