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Berlin: Training mit Aussicht

RBB-Intendantin Dagmar Reim fand Joggen doof – bis sie es selbst ausprobierte. Nun hat sie sogar eine Lieblingsstrecke am Rande Berlins gefunden: Hahneberg, ein grünes Idyll

Mein Mann ist Jogger. Jogger fand ich immer entsetzlich – in meinem früheren Leben. Ausnahme: mein Mann. Der schwärmte mir immer vom Laufen vor, das er konsequent seit 30, 40 Jahren betreibt. Seine Euphorie, seine ansteckend gute Laune, wenn er vom Joggen kam, interessierten mich nicht. Allenfalls murmelte ich: „Ich bin doch kein Pferd. Warum soll ich laufen?“

Was soll ich sagen: Die Zeiten ändern sich. Ja, ich laufe, jeden Morgen. Und er? Ist großmütig, triumphiert nicht. Bietet mir noch nicht mal Hafer an.

Vor einem Jahr kam ich an die Spree. Mit Sack und Tüten, wie der Berliner sagt. Zum Rundfunk Berlin-Brandenburg. Gute Vorsätze fasst man gleich zu Beginn (und bricht sie später). Auf den Morgenlauf wollte ich nicht verzichten. Unter keinen Umständen. Als Einstimmung auf den Tag, um den Kopf durchzupusten, Kraft zu tanken.

Eine Lieblingsstrecke hatte ich in Hamburg: rund um die Außenalster. Phantastisch. Glitzerndes Wasser, weiße Villen, grüne Natur.

Die ersten Berliner Tage verbrachte ich im Hotel. Frühmorgens hüpfte ich durch die City, die Budapester Straße entlang: Autos, Ampeln, schlechte Luft. Das besserte sich erst nach meinem Umzug in ein möbliertes Quartier Nähe Stuttgarter Platz. Nun ging es jeden Morgen um den Lietzensee. Wunderbar.

Am 21. Mai 2003 veranstaltete der RBB einen Publikumstag „Fit im Frühling“. Dazu gehörte ein kurzer Lauf am frühen Abend von der Siegessäule zum Funkhaus an der Masurenallee. Ich gab den Startschuss gern, allerdings mit dem Hintergedanken, vielleicht zu erfahren, wo Berliner ihre Runden drehen. Im Tiergarten, auf Höhe der „Goldelse“, treffen sich nämlich jeden Samstag um 14 Uhr die Anhänger der RBB-Laufbewegung. Unter professioneller Anleitung ehrenamtlicher Trainer des SCC laufen sie gemeinsam, machen neue Bekanntschaften, finden Freunde fürs Leben.

Vielleicht meine Chance, dachte ich, einen Tipp für eine Laufstrecke abseits der massenhaft besuchten Pfade abzugreifen, im Grünen mit einem Hauch von Großstadt. Begegnen Sie vielleicht völlig durchgeschwitzt und mit hoch rotem Kopf gern Menschen, die Sie kennen? Ich bevorzuge in diesen Glücksmomenten sportlicher Erfüllung die Einsamkeit.

Der Tipp von Gary Menzel war es dann. Er empfahl mir seine Hausstrecke am Stadtrand, die im ehemaligen Grenzgebiet zwischen West-Staaken und den östlichen Ausläufern des Havellandes liegt.West-Staaken, das ist die Ecke, die im Zuge eines Gebietstauschs zwischen Briten und Sowjets am 30. August 1945 von Spandau abgetrennt wurde. Im Gegenzug erhielten die Briten den „Seeburger Zipfel“, um den Flugplatz Gatow auszubauen. Erst nach der Wende fiel das Gebiet an Spandau zurück.

Hier durchstreift man auf historischem Grund Wiesen und Wäldchen, lauscht Vögeln und Grillen, begegnet ab und zu auch Ross und Reiter, bleibt aber ansonsten mit sich und seinen Gedanken allein. Vor allem an Wochenenden entfaltet die Strecke ihren Charme. Da sie leicht über die Heerstraße zu erreichen ist, lohnt im Sommer auch ein abendlicher Ausflug.

Ein Teil der Strecke, am Fuße des Hahnebergs, liegt auf dem ehemaligen Zonengrenzstreifen. Der Berg bringt es immerhin auf 85 Meter über dem Meeresspiegel. Wer Kraft und Ausdauer trainieren will, findet hier vielleicht seine neue Teststrecke. Die Anstrengung lohnt sich: eine fantastische Aussicht auf Spandau, den Grunewald und das Havelland. Hier fließen Berlin und Brandenburg ineinander – wie im RBB und seinen Programmen.

Folge 4 am kommenden Mittwoch. Guido Westerwelles Tipp: Rauf auf den Teufelsberg.

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