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Die Trostfrauen-Statue steht in Berlin-Moabit.

© dpa/Fabian Sommer

„Trostfrau“ in Berlin-Mitte: Warum eine Bronzestatue seit Jahren zu diplomatischen Verwicklungen mit Japan führt

In einem Park im Berliner Bezirk Mitte steht eine koreanische Statue, die an die Opfer sexueller Gewalt im Pazifikkrieg erinnern soll. Japan gefällt das nicht.

Ein Mädchen sitzt auf einem Stuhl, barfuß, die Hände geballt, den Blick ernst nach vorn gerichtet. Auf der Schulter steht ein Vögelchen, der Stuhl neben der Figur ist leer. Die goldene Bronzestatue, die in einem unscheinbaren Park im Berliner Stadtteil Moabit steht, sieht friedlich aus.

Doch seit mehr als zwei Jahren sorgt sie für Diskussionen, die mittlerweile nicht nur beim Bezirk und der Stadt, sondern auch auf Bundesebene geführt werden. Berlin ist kein Einzelfall: Auch an anderen Orten gab es aufgrund ähnlicher Figuren Spannungen zwischen befreundeten Städten, Proteste und diplomatische Verwicklungen.

Das hat damit zu tun, wofür die Statuen stehen. Sie erinnern an die „Trostfrauen“ – das Wort ist ein Euphemismus für Zehntausende Asiatinnen, die während des Pazifikkrieges im Zweiten Weltkrieg in japanischen Frontbordellen von Soldaten der japanischen Armee für Sex missbraucht wurden. Die meisten von ihnen stammten aus Korea, das damals eine japanische Kolonie war, aber auch aus anderen Ländern wie China, Indonesien und Japan selbst.

Langes Schweigen den Öffentlichkeit

Viele von ihnen wurden von Menschenhändlern mit falschen Versprechungen auf Arbeit oder Ausbildung in die Ferne gelockt. Sie landeten in sogenannten Troststationen, in denen japanische Soldaten sich in Kampfpausen abreagieren konnten.

Erst Jahrzehnte später wurde das Schicksal dieser Frauen öffentlich diskutiert. Anfang der 90er Jahre sprach die Südkoreanerin Kim Hak-Soon im Fernsehen über das, was ihr widerfahren war - und brach ein lange von Angst und Scham bestimmtes Schweigen. Ihrem Beispiel folgten Hunderte Koreanerinnen. Der Umgang mit den Zwangsprostituierten und die Frage, wie ihrer gedacht wird, hat die Beziehungen zwischen Südkorea und Japan seither stark belastet.

Die Bürger vor Ort können selbst darüber entscheiden, wie sie der Opfer sexueller Gewalt im Krieg gedenken wollen. Eine andere Regierung kann sich gerne dazu äußern, aber ihre Meinung muss trotz ihres Einsatzes (und der angedrohten Sanktionen) nicht übernommen werden. 

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Nicht erst die heutige japanische Regierung ist der Ansicht, dass damalige Kriegsopfer ausreichend entschädigt wurden – etwa durch einen Vertrag zwischen Japan und Südkorea von 1965 und ein bilaterales Abkommen von 2015.

Vertreterinnen des Korea-Verbandes protestierten 2020 an der Trostfrauen-Statue in Moabit gegen deren Entfernung.
Vertreterinnen des Korea-Verbandes protestierten 2020 an der Trostfrauen-Statue in Moabit gegen deren Entfernung.

© dpa / Bernd von Jutrczenka

Viele Opfer – von denen nur noch wenige am Leben sind – oder deren Familie sehen das ganz anders. Sie fordern, dass Japan klar rechtlich Verantwortung für die „Sexsklaverei“ übernimmt und offiziell Entschädigung zahlt, wie es etwa vom Korea Verband heißt. Das Wort „Sexsklaverei“ lehnt die japanische Regierung dagegen ab, mit der Begründung, es würde nicht den Tatsachen entsprechen. Die „Trostfrauen“-Statuen sieht sie als ein antijapanisches Symbol, das Japan dauerhaft verurteile und alle mit Südkorea getroffenen Einigungen ignoriere. Von Drittstaaten fordert die Regierung, Statuen an öffentlichen Orten zu entfernen.

Wozu das führen kann, zeigen zwei Beispiele. In Freiburg wurde nach dem Widerstand des japanischen Generalkonsuls und einer japanischen Partnerstadt vor einigen Jahren darauf verzichtet, ein Bronzemädchen aufzustellen. In San Francisco dagegen hielt man an einer Statue trotz heftiger Proteste fest. Die Stadt Osaka beendete daraufhin ihre 60 Jahre währende Freundschaft mit der kalifornischen Stadt.

Auch der Berliner Bezirk Mitte erhielt Schreiben von japanischen Partnerstädten, nachdem das Bronzemädchen dort im Herbst 2020 vom Berliner Korea Verband errichtet wurde. Der damalige grüne Bezirksbürgermeister hatte die Genehmigung erteilt – nahm diese aber schnell zurück. Der Bezirk wolle „auf eine Parteinahme in zwischenstaatlichen und insbesondere historischen Konflikten verzichten“, hieß es damals.

Das führte wiederum zu Protesten, die auch von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder und seiner Frau So-yeon Schröder-Kim, einer Südkoreanerin, unterstützt wurden. Die Genehmigung für das Bronzemädchen wurde verlängert – zuletzt bis September 2022.

Bezirksverordnetenversammlung für Verlängerung der Genehmigung bis 2024

Diese Frist ist verstrichen, die Statue immer noch da. Wie es mit ihr weitergeht, ist unklar. Die Bezirksverordnetenversammlung, die nicht entscheidungsbefugt ist, hatte sich für eine weitere Verlängerung der Genehmigung bis 2024 ausgesprochen. Die Botschaft Japans in Berlin findet dafür klare Worte: Es wäre „eine einseitige Entscheidung, die den bisher von uns mit großem Engagement erläuterten Standpunkt Japans unberücksichtigt ließe. Dies hielten wir für inakzeptabel“, sagte der Leiter der Öffentlichkeitsarbeit, Yasuhiro Kitaura. Die Regierung fordere „unverändert die umgehende Entfernung der Statue“.

Diesen Wunsch hätte Premierminister Fumio Kishida in diesem Jahr auch gegenüber Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geäußert. Laut japanischen Medienberichten soll Scholz klargestellt haben, dass er darauf keinen Einfluss habe. Das sei Sache des Bezirks.

Es werden Entscheidungen auf lokaler Ebene getroffen, deren Tragweite den Entscheidungsträgern nicht bewusst ist.

Reinhard Zöllner, Japanologe 

Der Japanologe Reinhard Zöllner von der Universität Bonn sieht das kritisch: „Es werden Entscheidungen auf lokaler Ebene getroffen, deren Tragweite den Entscheidungsträgern nicht bewusst ist.“ Generell sei es fraglich, eine Statue, an der ein interstaatlicher Konflikt hängt, der Deutschland nicht betrifft, hierzulande aufzustellen. „Wenn die dahinterstehenden Diskurse nicht hinreichend bekannt sind, werden wir kaum verstehen können, was da eigentlich steht.“

Das scheint man nun auch im Bezirksamt so zu sehen. Zwar stehe man einer weiteren Verlängerung der „Sondernutzungserlaubnis“ für die Statue „aufgeschlossen gegenüber“, heißt es von dort. Diese solle aber weiter entwickelt werden – hin „zu einer permanenten Installation, die generell aller Opfer sexualisierter Gewalt gedenkt“. Dazu befinde man sich in Gesprächen, unter anderem mit der Berliner Senatskanzlei.

Wie so ein Denkmal aussehen könnte, bleibt abzuwarten. Nach Ansicht Zöllners und anderer Historiker wie Andrew Gordon, Professor für japanische Geschichte an der Harvard University, käme die „Trostfrauen“-Statue dafür nicht infrage. Etwa, weil diese ein Mädchen in traditioneller koreanischer Kleidung zeige. Allein das schließe bereits Zwangsprostituierte anderer Nationalitäten oder anderen Alters aus. (Silke Sullivan, dpa)

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