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Berlin: Trude gibt keine Ruhe

Die Chefin der „Grauen Panther“ redete zum Wahlkampf

Trude Unruh ist mit einem roten Lieferwagen in die Wilmersdorfer Straße gekommen, der gut mit ihrem orangefarbenen Mantel harmoniert, und hat telekomfarbene Sonnenschirme, kistenweise Luftballons und zwei Sorten Wahlplakate mitgebracht: ein paar mit Panther und ein paar mehr mit Trude. Sie tourt mit ihren 77 Jahren durchs Land, um die „Graue Panther Generationen Bewegung“ in den Bundestag zu bringen.

Das hat sie vor den vergangenen drei Wahlen auch schon getan. 1990 reichte es zu 0,8 Prozent, vor vier Jahren waren es 0,3. Aber inzwischen hätten die Rentner erkannt, wie sehr sie vom System betrogen würden, und drei aussichtsreiche graue Direktkandidaten stünden auch am Start. Allerdings nicht in Berlin. Hier gibt es stattdessen den 62-jährigen Landeschef Dieter Peuker, der seine Bundesvorsitzende beim Mikrofontest („Einseins-hallo-hallo-eins-eins“) durch die Ansage „Es ist Wahlzeit“ stört und sich dafür eine strenge Ermahnung einfängt. Schon beim Einstöpseln des Mikrofons hat die Chefin ihn drei Mal „Besserwisser“ gescholten. Davon lässt sich einer wie Peuker nicht einschüchtern. Er sei „nach 25 Jahren mit Abscheu aus der CDU ausgetreten“, weil er die Arroganz der Politiker nicht mehr ertragen habe. Neuestes Beispiel sei „die Sache mit dem Lehrter Bahnhof: Die Leute stimmen über den n ab, dann kommt der Senator, dieser Drecksack, und beschließt was anderes.“ Wegen solcher Geschichten sieht er die Panther im Aufwind. „Außerdem hat uns beim letzten Mal der Gysi, dieser Drecksack, mit seiner Gerechtigkeit die Stimmen geklaut. Aber jetzt gelten wir als Geheimtipp.“

Peuker redet dermaßen laut, dass sogar Trude Unruh ihn kaum stoppen kann. Aber nach einer Minute hält sie es nicht mehr aus: „Dieter, du bist mir zu radikal!“ Die Passanten schauen überrascht herüber. Immerhin, sie schauen. Die Chefin ergreift die Chance: „Fünf Prozent Lohnnebenkosten für alle“, schallt es durch die Wilmersdorfer. Eine zufällig vorbeigehende Frau bekommt ein „Sie sind genauso blond wie ich“ hinterhergerufen, ein Mann wird gefragt: „Sind Sie unkündbar?“ Vom Wahlprogramm der Panther ist via Lautsprecher wenig zu erfahren. Dafür sagt Unruh, dass sie während ihrer drei Jahre im Bundestag 135 Reden gehalten habe. Sie saß dort bis 1989 für die Grünen. Seitdem redet sie einfach weiter. Stefan Jacobs

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