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Türkische Einwanderer: "Orientalisches Flair" im Altenheim

Vor 40 Jahren kamen sie als Gastarbeiter, heute sind sie im Rentenalter: Türkische Einwanderer in Deutschland. Jetzt wird für sie das erste türkische Seniorenheim Deutschlands gegründet.

Berlin - Doch auch die türkische Großfamilie ist nicht mehr das, was sie früher einmal war. Immer mehr türkische Senioren wissen nicht, wohin im Alter. Deshalb soll nun Ende des Jahres in Berlin das bundesweit erste türkische Altenheim eröffnen. "Ornamente an den Wänden, Orientteppiche auf dem Boden, große Vasen in der Ecke", zählt Anja Hegener auf. Die Sprecherin der Marseille-Kliniken, dem Betreiber der Anlage, ist überzeugt von dem neuen Konzept. "Das Ganze soll ein orientalisches Flair bekommen", erzählt Hegener.

Alleine in Berlin lebten Ende 2005 nach Angaben des Statistischen Landesamtes rund 10.000 Türken, die älter als 65 Jahre alt waren. Vor zehn Jahren waren es nur 2000. Die Zahl hat sich also verfünffacht, Tendenz steigend. "Wie groß dabei der Anteil der Pflegebedürftigen ist, ist unklar", sagt Celal Altun, Generalsekretär der Türkischen Gemeinde zu Berlin. Er schätzt die Zahl auf rund 3500. Aus diesem Grund hat sich seine Organisation mit den Marseille-Kliniken zusammengetan, um endlich für türkische Senioren ein auf deren Bedürfnisse zugeschnittenes Heim zu schaffen.

Zielgruppe gerade erst entdeckt

Ein ehemaliges Arbeiterwohnheim in Kreuzberg wird hierfür für sechs Millionen Euro umgebaut. 155 Betten und 90 Arbeitsplätze entstehen. Um es den älteren Herrschaften so angenehm wie möglich zu gestalten, wird nur zweisprachiges Pflegepersonal eingestellt. "Auch der Koch ist ein Landsmann und wird ausschließlich türkische Speisen zubereiten", erklärt Hegener. Schweinefleisch sei verpönt, der Ramadan werde selbstverständlich eingehalten. In einen 120 Quadratmeter großen muslimischen Gebetsraum können sich die türkischen Senioren zum Gebet zurückziehen.

Ulrika Zabel, die seit langem in der Projektleitung "Interkulturelle Öffnung der Altenhilfe" beim Deutschen Caritas Verband Berlin arbeitet, betont, dass die Zielgruppe der türkischen Einwanderer gerade erst entdeckt wurde. Bei kulturspezifischen Einrichtungen müsse viel bedacht werden. Dazu gehörten religiöse Eigenheiten, kulinarische Kenntnisse, aber auch interkulturelle Toleranz. Die älteren Türken hätten eine stärkere Anbindung an ihre Familien. Zabel zufolge muss deswegen auch der tägliche Besuch der häufig zahlreichen Angehörigen ermöglicht werden. Leider fehlten dafür oft die Räumlichkeiten.

Interkulturelles Pflegeheim gescheitert

Dass es sinnvoll ist, ein Heim ausschließlich für muslimische Senioren zu schaffen, zeigt das Beispiel eines interkulturellen Pflegeheims in Berlin. Dort sollten deutsche und muslimische Senioren unter einem Dach zusammenleben. "Das funktioniert aber in der Praxis nicht", bilanziert ein Betroffener.

Die Berührungsängste auf beiden Seiten waren offenbar so groß, dass die Heimleitung das Konzept nach wenigen Monaten aufgab. Es hatten sich kaum Interessenten gemeldet. Die Muslime wollten sich wohl nicht in ein fremdes kulturelles Umfeld begeben. Unter den deutschen Senioren wiederum war eine diffuse Furcht vor den Muslimen auszumachen. Dazu kam die Sorge vor Unruhe durch häufige Besuche von Großfamilien im Heim. "Da prallen Kulturen aufeinander", sagt der Betroffene.

In dem neuen türkischen Altenheim soll alles besser werden. Auch finanziell will man dort den türkischen Mitbürgern entgegenkommen. Ein Türke bekommt laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung im Schnitt 20 Prozent weniger Rente als ein deutscher Ruheständler. Das neue Heim soll deshalb ein "Zwei-Sterne"-Haus werden. "Nicht ganz so hochwertig ausgestattet, aber dafür bezahlbar", sagt Hegener. (tso/ddp)

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