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Berlin: U-Bahn-Schubser muss in die geschlossene Psychiatrie

Denis P. war aus Sicht der Richter schuldunfähig. Sein Opfer findet das Urteil gerecht

„Wir sind mit unseren Herzen bei Ihnen“, versicherten die Richter dem Mann im Rollstuhl. Sie hoffen, dass dem Opfer Arkadius M. durch den Prozess wieder bewusst geworden ist, was am 11. Dezember 2001 auf dem U-Bahnhof Kurt-Schumacher-Platz abgelaufen ist. Ihr Urteil gegen den Mann, der ihn vor einen einfahrenden Zug gestoßen hatte, kam nicht überraschend. Gestern ordnete das Berliner Landgericht die dauerhafte Unterbringung von Denis P. in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Ohne eine Behandlung bestehe die Gefahr erneuter Straftaten. Dass er bereits in einigen Jahren nach erfolgreicher Therapie auf Bewährung entlassen wird, ist allerdings nicht ausgeschlossen.

Der 25-jährige P. sei ein psychisch gestörter, schwer kranker Mensch, begründeten die Richter. Er habe Stimmen gehört und sich in seinen Wahnvorstellungen ferngesteuert gefühlt. Der gelernte Industriemechaniker sei schuldunfähig gewesen, als er bei Hertie in Tiergarten einen zweijährigen Jungen mit einem Messer leicht verletzte und wenige Wochen später Arkadius M. vor die Bahn stieß. Vier Waggons überrollten den 27-jährigen M., damals Zeitsoldat der Bundeswehr. Seine linke Körperhälfte wurde dabei zerfetzt, der frühere Geigenspieler verlor einen Arm, das linke Bein wurde ohne Knie wieder angenäht und liegt bis heute in einem stählernen Streckkorsett.

„Ein Schizophrener kann kein Bewusstsein für diese Krankheit entwickeln“, hieß es im Urteil. Er ist auf die Hilfe anderer angewiesen. Die Familie von Denis P. hatte nach einem Angriff auf seinen Großvater erkannt, dass mit ihm etwas nicht stimmte. Etwa ein halbes Jahr vor dem Vorfall auf dem U-Bahnhof hatte sie ihn in die Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik gebracht. Dort wurde die richtige Diagnose gestellt. Doch die Ärzte schickten ihn nach nur zwölf Tagen Klinikaufenthalt wieder nach Hause – mit dem Rat, sich in eine ambulante Drogentherapie zu begeben. „Das war eine Fehleinschätzung“, kritisierten die Richter. Denis P. habe Haschisch genommen, um die quälenden Stimmen zu unterdrücken.

Der Angriff auf Arkadius M. geschah wie aus heiterem Himmel – als „furchtbar sinnlos, zufällig“ bezeichnete Richterin Gabriele Strobel die Tat. „Das Urteil ist schon gerecht, Hauptsache der läuft nicht rum und tut das wieder“, sagte Arkadius M. nach dem Prozess. Nicht verstehen können er und seine Eltern, bei denen er jetzt in der Nähe von Stuttgart lebt, das Verhalten des Versicherers der Bundeswehr, der bislang jegliche Zahlungen verweigerte. Denn Arkadius M. kann sich an den schicksalsschweren Tag nicht mehr erinnern. Von der Frage, ob er damals nach seinem Dienst im Bundeswehrkrankenhaus direkt nach Hause gefahren ist oder ob er einen Umweg gemacht hat, hängt aber ab, ob es ein so genannter Wegeunfall war. „Geduld, Geduld und viel Kraft müssen wir haben“, sagte der Vater.

Kerstin Gehrke

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