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Berlin: Über Kreuz

Die Gemeinden von Gedächtnis- und Luisenkirche haben sich wieder getrennt

Man kennt das von Freunden: Wenn die letzten Paare heiraten, lassen sich die ersten wieder scheiden. Ähnlich geht es den Kirchengemeinden: Nun, da fast alle Berliner Pfarreien, evangelische wie katholische, fusioniert sind, trennen sich die ersten: Seit dem 1. Juli ist die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche am Breitscheidplatz wieder selbstständig – sechs Jahre nach der Fusion mit der Luisenkirche am Charlottenburger Gierkeplatz.Es ist die erste so genannte Defusion in Berlin.

„Die Gemeinden sind zu unterschiedlich, das ging nicht gut“, sagen übereinstimmend Pfarrer Klaus Raschkowski von der Luisenkirche und Carl Haenisch, der Vorsitzende des Gemeindekirchenrates am Breitscheidplatz. Deshalb hat der Gemeindekirchenrat mit Zustimmung der evangelischen Landeskirche die Trennung beschlossen. Die Kiezgemeinde am Gierkeplatz hat andere Sorgen und Aufgaben als die Gedächtniskirche, in die jährlich über eine Million Besucher kommen, darunter viele Touristen. In dem blauen Gotteshaus werden 900 Gottesdienste und Andachten im Jahr gehalten, es ist täglich geöffnet. Zusätzlich gibt es viele Führungen, Konzerte und Vorträge. „Wir sind pausenlos auf dem Sprung“, sagt Carl Haenisch. Am Gierkeplatz geht es wesentlich ruhiger zu, hier sind auch die Ehrenamtlichen nicht so sehr gefordert wie am Breitscheidplatz, wo die langen Öffnungszeiten, viele Küsterdienste und Finanzangelegenheiten nur mit ihrer Hilfe geregelt werden können.

Geld habe man durch die Fusion auch nicht gespart. Ein Beispiel: Die Gemeindebüros in der Lietzenburger Straße und in der Gierkezeile sind zu weit voneinander entfernt, als dass die Gläubigen die Zusammenlegung akzeptiert hätten.

„Vielleicht hätte es geklappt, wenn man mit neuen Mitarbeitern in die Fusion gestartet wäre“, sagt Raschkowski, aber so habe es nicht funktioniert. Nun will jede Gemeinde ihr eigenes Profil schärfen. Auch die Gedächtniskirche habe das nötig, meint Raschkowski. Die Prominenten-Beerdigungen helfen da auch nicht weiter. „Das ist nur ein Abgesang auf das alte West-Berlin, aber wir müssen nach vorn schauen.“ Ein Pfarrer allein könne die Aufgaben am Breitscheidplatz aber nicht bewältigen, da sind sich Raschkowski und Haenisch einig. „Die Landeskirche muss sich finanziell mehr engagieren.“ Man denke über eine zweite Pfarrstelle nach, heißt es dort.

In den Bereichen, in denen die Zusammenarbeit gut klappte, bei der Kirchenmusik, der Betreuung alter Menschen und Kinder, wollen die Gemeinden auch weiter kooperieren. Kurios sei es schon, sagt Haenisch, wenn ihn Katholiken, die selbst gerade fusionieren, erstaunt fragen, was hier los sei. „Wenn die Fusion nichts bringt“, antwortet er dann, „sollte man die Unterschiede bewahren. Denn aus was besteht Kirche, wenn nicht aus gewachsenen Traditionen?“

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