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Berlin: "Über den Ernst der Lage nicht voll im Klaren" - 2001 müssen sogar eine Milliarde Mark gekürzt werden

Peter Kurth (CDU) ist seit November 1999 Finanzsenator in Berlin. Er schimpft nicht nur mit den Kollegen im Berliner Senat, sondern mahnt auch die Bundesregierung, "ihrer Verantwortung für die Hauptstadt stärker bewusst" zu werden.

Peter Kurth (CDU) ist seit November 1999 Finanzsenator in Berlin. Er schimpft nicht nur mit den Kollegen im Berliner Senat, sondern mahnt auch die Bundesregierung, "ihrer Verantwortung für die Hauptstadt stärker bewusst" zu werden. Er hofft auf eine schnelle Einigung über einen neuen Hauptstadtvertrag.

Mit dem Jahresabschluss für 1999 wird Finanzsenator Peter Kurth dem Hauptausschuss des Parlaments heute eine schlechte Nachricht überbringen: Das Defizit liegt weit über drei Milliarden Mark und belastet zusätzlich die Etatberatungen für 2001, die ohnehin sehr schwierig werden.

Legen Sie Ihre Hand dafür ins Feuer, dass der Senat den Haushaltsentwurf für 2001 tatsächlich bis zur Sommerpause vorlegt?

Der Terminplan des Senats ist klar: Wir werden den Etatentwurf am 25. Juli beschließen.

Die Senatskollegen sind sparwillig?

Ich bin nicht zufrieden mit der Qualität der Haushaltsanmeldungen, sofern sie bisher überhaupt vorgelegt wurden. Sie sind teilweise nicht kompatibel mit geltenden Senatsbeschlüssen und den Eckwerten für 2001, auf die sich die Koalitionsparteien CDU und SPD geeinigt hatten. Offenbar sind sich einige Senatsmitglieder über den Ernst der Lage noch nicht voll im Klaren und scheinen in zusätzlichen Mitteln für ihren Etat schon einen Erfolg ihrer Politik zu sehen, statt die erheblichen vorhandenen Mittel effizienter zu verwenden.

Drastische Einschnitte im Etat werden von Ihnen seit Monaten angekündigt...

Wir müssen die öffentlichen Aufgaben im Jahr 2001 um mehr als eine Milliarde Mark reduzieren und die Nettoneuverschuldung verringern. Außerdem ist das Defizit des Haushaltsjahres 1999 - von deutlich mehr als drei Milliarden Mark - auszugleichen. Die Steuerreform des Bundes wird uns Mindereinnahmen bescheren. Der Senat muss den harten Sparkurs fortsetzen, will aber im nächsten Jahr auf die Rasenmähermethode verzichten. Wir werden konkrete Kürzungsmaßnahmen beschließen und klare politische Schwerpunkte setzen.

Wo soll gespart werden?

Meine Vorschläge liegen auf dem Tisch, und zwar für alle Senatsressorts. Etwa im Bereich der Messe, beim Studentenwerk, der Stadtreinigung, für eine effektivere Arbeitsmarktpolitik, um nur wenige Beispiele zu nennen. Jede Einzelmaßnahme könnte zweistellige Millionensummen einsparen. Berlin liegt nach wie vor in fast allen Ausgabefeldern an der Spitze der Bundesländer. Da kann mir keiner erzählen, dass es keine Einsparpotentiale mehr gibt. Die knappen Mittel müssen wirtschaftlicher eingesetzt und realistischer veranschlagt werden.

Hat CDU-Fraktionschef Landowsky Ihre interne Aussage richtig wiedergegeben, dass der Kulturetat 2001 nicht gekürzt wird?

Angesichts der finanziellen Probleme und Risiken im Kulturbereich, die schon in diesem Jahr deutlich wurden, sind weitere Kürzungsmöglichkeiten zurzeit nicht ersichtlich. Die Entscheidung wird aber in der Gesamtverantwortung des Senats getroffen.

Sie wollen den Bau der U-Bahnlinie 5 verschieben. Der CDU-Landesvorstand hat Ihnen mit einem gegenteiligen Beschluss einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Ich kenne die Einschätzung weiter Teile der CDU zu diesem Thema, die sich ja auch in der Koalitionsvereinbarung widerspiegelt. Meine Aufgabe ist es aber, das notwendige Sparvolumen für 2001 zu erreichen. Wer einzelne Sparvorschläge der Finanzverwaltung in Frage stellt, muss gleichzeitig Alternativvorschläge machen.

Das war eine Schlappe für Sie?

Nein. Es spricht doch für die Lebendigkeit der politischen Auseinandersetzung, dass sich die Parteigremien mit der U 5-Problematik befassen. Auch die SPD hat bestimmte Vorstellungen. Die Entscheidung liegt aber in der Verantwortung des Senats, sie wird spätestens am 25. Juli fallen. Hierzu muss Herr Strieder zunächst die definitive Zusicherung der Bundesregierung einholen, dass sich aus einer Verschiebung des U 5-Ausbaus keine Rückforderungen des Bundes ergeben. Das letzte Wort hat das Parlament.

Die Privatisierung der städtischen Wohnungsbaugesellschaften droht zur Hängepartie zu werden. Bausenator Strieder will nach der GSW kein Wohnungsunternehmen mehr verkaufen.

Die Koalitionsvereinbarung sieht für 2001 ein Privatisierungsvolumen von 4,5 Milliarden Mark vor. Ich sehe gegenwärtig keine Möglichkeit, dies ohne den Verkauf einer zweiten Wohnungsbaugesellschaft zu realisieren. Die GSW-Privatisierung und einige wenige In-Sich-Geschäfte werden vermutlich nur ausreichen, die im Haushalt 2000 geplanten Einnahmen zu erzielen.

Wird der Teilverkauf der GSW zügig ausgeschrieben oder bekommt, wie Herr Strieder es will, die Bankgesellschaft den Zuschlag?

Eine freihändige Veräußerung an eine Tochter der Bankgesellschaft Berlin halte ich nach intensiver juristischer Prüfung für EU-rechtlich bedenklich und insgesamt für zweifelhaft. Der Senat sollte eine rechtlich einwandfreie Lösung anstreben.

Ist wenigstens der Liegenschaftsfonds auf gutem Wege, der Landesgrundstücke künftig zentral vermarkten soll?

Die Einsicht wächst, dass es bei der herkömmlichen Praxis, landeseigene Immobilien an 24 verschiedenen Stellen der Stadt zu verkaufen, nicht bleiben kann. Im Interesse des Wirtschaftsstandortes Berlin muss es zu substanziellen Verbesserungen kommen. Die Zersplitterung der Zuständigkeiten muss aufgehoben werden. Ich bin zuversichtlich, dass der Liegenschaftsfonds zustande kommt. Mit der ersten Tranche sollen rund zehn Millionen Quadratmeter auf den Markt gebracht werden.

Sie rechnen 2001 mit 1,2 Milliarden Mark Mindereinnahmen durch die Steuerreform ...

wenn es bei dem von der Bundesregierung beschlossenen Reformpaket bleibt. Die Bundes-CDU hat eigene Vorschläge in die Diskussion eingebracht ...

aber nicht alle Kompromissvorschläge, die zurzeit auf Bundesebene diskutiert werden, sind geeignet, das Ausfallrisiko für die Länder zu verringern. Einige Vorschläge gehen sogar in die andere Richtung und vergrößern das Ausfallvolumen. Ich glaube nicht, dass das Land Berlin im Bundesrat solchen Kompromissvorschlägen zustimmen könnte.

Aber kann es eine Steuerreform geben, die die Länder vollkommen verschont?

Wir haben alle ein Interesse daran, dass es endlich zu einer Steuerreform kommt, nachdem diese schon einmal, 1997, im Bundesrat verhindert worden ist. Deshalb wird Berlin daran mitarbeiten, dass es bald zu einem Einstieg in die Reform kommt.

Neue Begehrlichkeiten der Länder sind entstanden, weil die Versteigerung von Telekomfrequenzen möglicherweise 100 Milliarden Mark in die Bundeskasse spült, die Finanzminister Eichel aber ausschließlich zur Schuldentilgung einsetzen will. Die CDU-Parteivorsitzende Angela Merkel unterstützt diese Position - wie finden Sie das?

Ganz so ist es nicht. Frau Merkel hat meines Erachtens keine begründeten Ansprüche der Länder zurückgewiesen. Die Konzessionen, um die es hier geht, erfüllen ja ihren wirtschaftlichen Sinn auf dem Territorium der Länder und es ist bei Summen dieser Größenordnung nur recht und billig, über eine gerechte Gesamtverteilung nachzudenken.

Für Berlin ist der Länderfinanzausgleich existenziell wichtig. Die Front zwischen reichen und armen Ländern scheint sich in den Verhandlungen über eine Reform des Finanzausgleichs aber verhärtet zu haben.

Ein Konsens ist momentan nur schwer erkennbar. Aus Berliner Sicht ist aber vollkommen klar: Die so genannte Stadtstaatenregelung, also die besondere Einwohnerwertung für Berlin, Hamburg und Bremen, ist für uns ein unverhandelbares Essential. Wer diese Regelung abschaffen will, spricht den Stadtstaaten die Existenzberechtigung ab. Aber die Verhandlungen sind keineswegs festgefahren, wir sind im Bundesrat mit einer deutlichen Mehrheit, der "Zehnergruppe", sehr weit gekommen. Diese zehn Länder sprechen sich auch eindeutig für die Beibehaltung der Einwohnerwertung aus.

Halten Sie eine Situation für möglich, in der die Südländer überstimmt werden?

Selbstverständlich. Wir streben aber eine einvernehmliche Regelung an.

Genauso schwergängig sind die Verhandlungen mit dem Bund über einen neuen Hauptstadtvertrag. Wer mauert am meisten?

Ich hoffe, dass sich die Bundesregierung insgesamt ihrer Verantwortung für die Hauptstadt stärker bewusst wird. Wir sind jetzt so verblieben, dass das Land seine Argumente, welche hauptstadtbedingten Sonderlasten vom Bund finanziert werden müssen, dem Bundesfinanzminister noch einmal zur Prüfung vorlegt. Dann werden wir weiter sehen. Ich hoffe auf eine schnelle Einigung. Mit Kurth sprach Ulrich Zawatka-Gerlach.

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