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Berlin: Überrannt, nicht überholt

Beim Derby im Feldhockey siegen die Wespen 4:1 beim Berliner HC

Die Ansage vom Trainer war deutlich. „Ey, Jungs“, sagte Bernd Rannoch, „die wissen gar nicht mehr, wo vorne und hinten ist!“ Dann klatschte Rannoch energisch in die Hände, stand auf, weiter ging’s. Im Derby.

Die Halbzeitpause war also gerade vorbei, da führten die Hockeyspieler der Zehlendorfer Wespen schon 2:0 im Zweitliga-Derby gegen den Berliner HC. Und nach dem Abpfiff wussten die gegnerischen Spieler erst recht nicht mehr, wo vorne und hinten ist. „Wir haben uns in der Kabine angeschnauzt, die Stimmung war schlecht, wir hatten kein Aufbauspiel“, maulte der BHC-Spieler Florian Scholz später. „So etwas habe ich in dieser Saison bei uns noch nicht erlebt.“

Am Ende gewann die Mannschaft der Zehlendorfer Wespen vor knapp 500 Zuschauern an der Wilskistraße 4:1 (2:0) – und das beim bis dahin ungeschlagenen Tabellenführer der Zweiten Bundesliga. Wespen-Trainer Rannoch sprach hinterher von „einem völlig verdienten Sieg“.

Vier Punkte lag seine Mannschaft bis zu diesem Wochenende hinter dem BHC, jetzt ist es nur noch einer. Für die Wespen war es somit „mehr als ein normaler Sieg“, sagte Rannoch. Das lag nicht nur daran, dass es ein Derby war, sondern auch, „weil der BHC jetzt wieder Druck spüren wird“.

Ein Punkt also. Fünf Spieltage sind es noch, dann steht der Aufsteiger in die erste Bundesliga fest. In den nächsten Monaten wird erst mal in der Halle gespielt, die Winterpause ist im April vorbei. Der knappe Vorsprung des Spitzenreiters BHC tut der Liga gut: Die Spannung bleibt erhalten, für Zuschauer, vor allem für die Mannschaften. „Das ist gut für die Motivation“, sagte Rannoch. „Bei uns kann jetzt keiner denken: Hey, das schaffen wir nicht mehr.“ Wegen des hohen Sieges haben die Wespen ihr Torverhältnis gegenüber dem BHC verbessern können. „Lass die jetzt mal unentschieden spielen, dann sind wir vorbei.“ Rannoch lächelte, als er das sagte. Die Sonne schien, die Zuschauer jubelten.

Die Euphorie bei den Zehlendorfer Wespen sei ja „schön und gut, sagte BHC-Spieler Scholz. Aber eines solle man bitte nicht vergessen: „Die Wespen können auch jetzt nicht mehr tun, als zu hoffen.“ Für den BHC spräche das leichtere Programm bis zum Saisonende. Scholz war sauer, als er aus der Kabine kam. Der 24-jährige will unbedingt aufsteigen, in der Ersten Liga spielen, wie im vergangenen Jahr, als er im Kader vom UHC Hamburg stand, dann aber aus beruflichen Gründen nach Berlin umziehen musste.

Anfangs sah es gestern noch ganz gut aus für seinen BHC, doch dann erzielten die Wespen zwei Tore kurz vor Halbzeit. „Das war wie ein Schock, wir sind eingebrochen“, sagt Scholz. Beide Tore erzielte Florian Keller, und der wollte nach dem Abpfiff prompt „ein Bierchen“ trinken. Mit wem? „Na, mit Tibor natürlich.“ Keller grinste.

Das war nämlich das große Duell an diesem Sonntag. Tibor Weißenborn gegen Florian Keller. Der war mal Nationalspieler, Weißenborn ist es noch und kann sich sogar Weltmeister nennen. Die beiden sind Kumpels, seit vielen Jahren schon, sie haben früher im Kindergarten zusammen gespielt. So standen die beiden vor dem Spiel zusammen, quatschten, dehnten sich, dann aber war es vorbei mit all der Herzlichkeit. Keller – offensiv – und Weißenborn – defensiv – trafen auf dem Feld oft aufeinander, und letztlich gewann Keller. Bei zwei Toren fehlen seinem Kumpel Weißenborn die Argumente.

Das Hinspiel hatte der BHC 5:3 gewonnen, gestern aber lief auch nach der Pause nicht viel. In den letzten Minuten erhöhte Wanja Ammon mit zwei Toren auf 4:0 für die Wespen, Sekunden vor dem Abpfiff erzielte Kevin Lim das 1:4 für den BHC. Es ist also wieder spannend in der Liga. Und nicht nur dort: Gestern kursierten Gerüchte, dass Frank Hänel in den nächsten Tagen als neuer BHC-Trainer vorgestellt wird. Mit ihm wurde Scholz vor einem Jahr Deutscher Hallenmeister.

André Görke

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