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Berlin: Um die Wette gefeiert

Das 750-Jahr-Fest Berlins als Politikum: Zeitzeugen aus Ost und West erinnern sich an 1987

Es ist viel geblieben vom großen Stadtgeburtstagsfest 1987, im Westen wie im Osten. Damals feierten der West-Berliner Senat und die Bundesregierung einerseits, die Ost-Berliner Stadtverwaltung und das SED-Politbüro andererseits den 750. Geburtstag der Stadt Berlin – und sie feierten in heftiger Systemkonkurrenz. Ein ganzes rekonstruiertes Stadtviertel mit der Nikolaikirche mittendrin erinnert in der Nachbarschaft des Roten Rathauses an die Ost-Berliner Entschlossenheit zur Leistungsschau. In West-Berlin takelte der Senat die Halbstadt zur Kulturmetropole mit dem Skulpturenboulevard über Tauentzienstraße und Kurfürstendamm auf – am Rathenauplatz erinnern Wolf Vostells Betoncadillacs daran, dass damals ein Kunst-Stück nicht groß und streitbar genug sein konnte. Damals wurde auch die Topographie des Terrors gegründet, und ein Bundeskanzler namens Helmut Kohl versprach der Halbstadt ein neues deutsches Geschichtsmuseum.

Viel ist 1987 auf beiden Seiten der Mauer passiert – da waren sich von Andreas Nachama, dem Direktor der Topographie, bis zu Bürgerrechtler Reinhard Schult alle einig, die am Montagabend in der Nikolaikirche über das doppelte Geburtsfest diskutierten. Doch bei aller groß angelegten Feierei ging es im Westen wie im Osten darum – auch darüber mochte die Runde aus Historikern nicht streiten –, die eigene Identität zu stärken und die andere Seite zu übertrumpfen.

Nicht mal der Kirchen- und Oppositionsmann Reinhard Schult fand die These plausibel, die Feierlichkeiten mit ihrem ansatzweisen Bemühen um Gemeinsamkeiten hätten die beiden Stadthälften in Richtung Einheit vorangebracht. Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt, der die Gesprächsrunde moderierte, erinnerte an den Ärger, den der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen hervorrief, als er sich auf Verhandlungen mit Erich Honecker über gegenseitige Besuche bei den Festakten einließ. Diepgen, so Maroldt, sei vorgeworfen worden, er provoziere die Alliierten. Da meldete sich der Grünen-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wieland als „Zeitzeuge“ aus dem Publikum und erinnerte an die Ursache des Hin und Hers, das als „Flaggenstreit“ in die Berliner Stadtgeschichte eingegangen ist: Der Staatsratsvorsitzende Erich Honecker habe damals in den Westen als erster Mann der DDR eingeladen werden wollen – nicht bloß als Vorsitzender des Ost-Berliner Festkomitees.

Dann aber hätte man im Westen beim Festakt die Staatsflagge der DDR aufziehen müssen – und das kollidierte heftig mit dem Status der Viermächtestadt. „Man war noch in diesen Statusfragen befangen – wir weniger“, sagte Wieland und erinnerte daran, dass er und seine grüne Parteifreundin Gabi Vonnekold damals die einzigen Politiker aus dem Westen der Stadt waren, die dem Osten zum Geburtstag gratulierten. Selbstverständlich, so Wieland, sei man mit Pedalkraft über die Grenze gereist. wvb.

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