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Berlin: Umstrittener Patron

Die Erich-Hoepner-Schule heißt nach einem Wehrmachtsgeneral. Dagegen kämpft ein Student

Als er herausfand, dass schon die Umbenennung des Charlottenburger Gymnasiums in Erich-Hoepner-Schule vor fast 50 Jahren gegen alle Proteste verfügt wurde, sah er sich auf dem richtigen Weg: Seit zweieinhalb Jahren versucht ein Chemnitzer Geschichtsstudent, die Berliner Behörden zu bewegen, der Oberschule einen neuen Namen zu geben. Vergebens.

Dabei war Erich Hoepner als Wehrmachtsgeneral immer vorne dabei, als es gegen Polen und Russland ging. Feldzüge, bei denen Millionen Menschenleben und tausende Dörfer vernichtet wurden. Später gehörte der gebürtige Brandenburger zu der Gruppe, die das Hitler-Attentat am 20. Juli 1944 durchführte und wurde dafür zum Tode verurteilt. Deshalb wurde er auch 1956 Namenspatron des Gymnasiums an der Bayernallee.

Ein Namenspatron von Amts wegen. Schüler, Lehrer, Eltern protestierten damals gegen die Entscheidung des Bezirksamtes. Der damalige Schuldirektor Klaus Rudolphi schrieb, dass „Hoepner in dem Drama des 20. Juli eine wenig heroische Rolle gespielt hat“ – nämlich eine äußerst passive – und er deshalb dessen Namen für die Schule als ungeeignet empfinde. Das steht im „Spiegel“ vom 26. September 1956. Dem Hamburger Nachrichtenmagazin war die Umbenennung einen dreiseitigen Bericht wert.

Nun war es dem Chemnitzer Geschichtsstudenten Geralf Gemser eine ganze Magisterarbeit wert, dass sich an dem Schulnamen bis heute nichts geändert hat. Auf 200 Seiten hat er aufgeschrieben, was er in Bundesarchiven über Hoepner fand. Gemser kommt zu dem Schluss, dass Hoepner während der drei Angriffsfeldzüge – außer Polen und Russland befehligte er auch Truppen in Frankreich und Benelux – nur seine Arbeit getan habe. Das allerdings sehr erfolgreich. Sogar das Eiserne Kreuz wurde ihm von Hitler überreicht. Am Ende des Russlandfeldzuges wurde Hoepner aus der Armee entlassen. Er hatte einen Befehl Hitlers missachtet und einen Rückzug angeordnet, um seinen Soldaten in einer ausweglosen Lage das Leben zu retten. Später stieß er zu der Umstürzler-Truppe um Stauffenberg und die anderen. Womöglich im Hoffen auf einen eigenen Vorteil. Vielleicht aus Überzeugung. Das ist unklar.

Nach seinen Recherchen korrespondierte Gemser mit der Schule, dem Schulamt, dem Bezirksschulstadtrat, sogar dem Schulsenator schrieb er. In den Antworten erklärten sich die Ämter für nicht zuständig, Schulnamen seien Sache der Schulen. Der Schulleiter bleibt in einem Schreiben an Gemser vom 19. April 2002 bürokratisch. Er teilt mit, der Schule sei die zweifelhafte Rolle Hoepners „Möglichkeit und Verpflichtung“ die Schüler „gemäß Paragraf 1 des Schulgesetzes für Berlin zu erziehen“. Was der besagt, blätterte Gemser selbst nach: Die Aufgabe, die Schüler zu Persönlichkeiten zu machen, „welche fähig sind, der Ideologie des Nationalsozialismus (...) entschieden entgegenzutreten“. Die von Gemser angeführten „historischen Tatsachen“ seien der Schule „selbstverständlich bekannt“.

Zu diesen Tatsachen zählt auch Hoepners Marsch durch Polen. In einem Brief an seine Frau schrieb er: „Die Polenfrage muss ja mal gelöst werden.“ Am 14. September 1939, seine Truppen standen vor Warschau, ließ er Flugblätter abwerfen, in denen er warnte: „Für jeden deutschen, in Warschau gefallenen Soldaten werden zwanzig von euch erschossen!“ Oder der Marschbefehl vom Mai 1941, als es Richtung Osten ging. „Es ist der alte Kampf der Germanen gegen das Slawentum. (...) Dieser Kampf muss die Zertrümmerung des heutigen Russlands zum Ziel haben und deshalb mit unerhörter Härte geführt werden.“

In einem WDR- Bericht zum 60. Jahrestages des Hitler-Attentats wird der Historiker Hans Mommsen zitiert: „Bei einem Mann wie Hoepner war gar kein Zweifel, dass er bereit war, mit den Sicherheitskräften (...) eng zusammenzuarbeiten.“ Weil er wie Hitler der Auffassung gewesen sei, „nur durch äußerste Härte den Widerstand der Partisanen brechen zu können“. Mommsen: „Wobei äußerste Härte bedeutete, die Liquidation von Teilen der Bevölkerung, die Schaffung toter Zonen, das Niederbrennen der Siedlungen.“ Der Schuldirektor, der an Student Gemser geschrieben hatte, ist inzwischen pensioniert, sein Nachfolger Gerald Thimm teilt aber dessen Position. Die besondere Rolle Hoepners, so Thimm, werde im Geschichtsunterricht der Schule ausführlich besprochen.

Wird also alles beim Alten bleiben? Charlottenburgs Bezirksschulrat hat an Gemser geschrieben, vielleicht sei zum 50. Jahrestag des Schulnamens am 14. September 2006 eine Änderung möglich. In der Schule heißt es, derzeit sei nichts in Planung. Außerdem sei die Schule mit ihren 800 Schülern und 60 Lehrern unter eben diesem Namen für außergewöhnliche Leistungen im musischen Bereich bekannt – da verwirre eine Änderung doch bloß.

Arianne Bemmer

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