zum Hauptinhalt

Berlin: Und noch eine Million für das Tempodrom

Der Senat will die Insolvenz vermeiden und spricht heute über einen neuen Zuschuss

Um die Tempodrom-Pleite zu verhindern, wird der Senat dem Haus am Anhalter Bahnhof vermutlich eine neue Finanzspritze in annähernder Millionenhöhe geben. Der Zuschuss soll aber endgültig der letzte sein, wird intern versichert. Heute will sich die Landesregierung in vertraulichem Kreis mit dem Tempodrom und dem vom Landesrechnungshof empfohlenen Insolvenzverfahren beschäftigen. Eine letzte Zahlung wird als Alternative zur Insolvenz favorisiert, um eine Tempodrom-Pleite nicht zu einem Ansehensverlust für die ganze Stadt werden zu lassen.

Der Senat hatte der Veranstaltungsstätte, die ursprünglich privat finanziert werden sollte, in den vergangenen eineinhalb Jahren rund 4,8 Millionen Euro zugeschossen, zuletzt im Herbst 1,5 Millionen. Der Stiftungsratsvorsitzende des Tempodroms, Torsten Griess-Nega, betonte gestern, man kämpfe dafür, „ohne Dauersubvention“ auszukommen und habe auch schon verschiedene Finanzierungsmodelle durchgerechnet.

Die drohende Pleite des neuen Tempodrom war nach Ansicht des Wirtschafts- und Sanierungsfachmanns Griess-Nega absehbar. Der Geschäftsführer des Unternehmens Steinbacher Treuhand, im November von der Investitionsbank Berlin in den Stiftungsrat geholt, erinnerte an die drastisch gestiegenen Baukosten des Neubaus. Außerdem hätten „falsch gestrickte Verträge“ mit den Pächtern zur Misere des Tempodrom geführt. Der Landesrechnungshof hatte wegen der Mindereinnahmen des Tempodroms – in den ersten zehn Monaten seit Eröffnung im Dezember 2001 rund 877 000 Euro – ein Insolvenzverfahren angeregt.

Der Stiftungsratsvorsitzende teilt nicht die Auffassung des Landesrechnungshofes, der die roten Zahlen vor allem auf die Gastronomie zurückgeführt hatte. Die gegenüber den ersten Schätzungen um 100 Prozent auf 60 Millionen Euro gestiegenen Baukosten hätten dazu geführt, dass Nachfinanzierung auf Nachfinanzierung gefolgt sei. Griess- Nega erklärt, er habe das stark defizitäre Geschäft aus den Pachteinnahmen verändert. Bis dahin hätte die Stiftung die schlechten Umsätze wegen einer vereinbarten Umsatzpacht ausbaden müssen, jetzt trügen die Pächter – Liquidrom, die Tempodrom- GmbH von Irene Moessinger und die Einhorn-Gastronomie – das wirtschaftliche Risiko. Er ließ durchblicken, dass seiner Ansicht nach die Veranstaltungsseite, allen Beteuerungen zum Trotz, nicht optimal gelaufen ist. Irene Moessinger betonte gestern, der Betrieb laufe gut, aber vielleicht habe sie das neue Haus angesichts der Schwierigkeiten „in der falschen Zeit gebaut“.

Vor dem Hintergrund des Desasters darf auch am baulichen und inhaltlichen Konzept gezweifelt werden. Als mittelgroße Veranstaltungshalle teilt sich das Tempodrom den Markt zum Beispiel mit der Arena (Treptow), der Max-Schmeling-Halle oder dem Schiller-Theater. Für Alternativ-Kultur, wie sie das Zelt-Tempodrom einst füllte, ist der Neubau zu groß. Für große Pop-Konzerte hingegen nicht groß genug. Außerdem hat der Bau Mängel, die die Besucher nerven. Die Stuhlreihen sind so eng, dass das Sitzen nach einer Stunde schmerzt. Die Stühle sind unbequem. Das Schlimmste ist allerdings das Klima. Im Sommer haben die Gäste bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises aufgrund der großen Hitze die Gala eher durchlitten als genossen. Auch als Party-Ort hat sich das neue Tempodrom nicht bewährt. Der Bau müsste mit einigen Millionen nachgebessert werden. Dafür ist kein Geld da.

Die landeseigene Investitionsbank Berlin hatte auf Drängen des Senats im Herbst 2001 die Zügel des Tempodrom-Projekts in die Hand genommen und Irene Moessinger angesichts des Finanzdesasters im Tempodrom-Stiftungsrat entmachtet. Kurz vor der Fertigstellung des Neubaus, dessen Baukosten in jenem Sommer beinahe monatlich rapide stiegen, fehlten letztlich noch mehr als 6,5 Millionen Euro. Die Investitionsbank erklärte sich zum Hauptsponsor, gab einen Zuschuss von 3 Millionen Euro, die Bauverwaltung weitere 1,8 Millionen Euro, aus Lottomitteln flossen 2 Millionen.

Die Landesbank hatte ins Projekt zuvor schon fast 11 Millionen Euro gesteckt, zu 80 Prozent durch eine öffentliche Bürgschaft abgesichert. Es gab zudem Millionen aus dem Umweltförderprogramm, einen weiteren Lottozuschuss, eine Entschädigung wegen der Räumung des Vorgängerzelts am Bundeskanzleramt in Tiergarten und private Sponsoren steuerten knapp eine halbe Million Euro bei. Im vergangenen Herbst hatte der neue Stiftungsrat, dem diverse Senatoren angehören, versprochen, das Tempodrom werde im Frühjahr aus dem Schneider sein.

Christian van Lessen

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false