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Berlin: Underground-Entertainer Olaf Wriedt in Schöneberg beigesetzt

"Eine Party hat sich Olaf zu seiner Beerdigung" gewünscht, zitiert der Pfarrer aus Hottes Testament. Und dann wird es doch eine ganz normale Trauerfeier.

"Eine Party hat sich Olaf zu seiner Beerdigung" gewünscht, zitiert der Pfarrer aus Hottes Testament. Und dann wird es doch eine ganz normale Trauerfeier. Olaf Wriedt, in der schwulen Comedy-Truppe "die Teufelsberger" zuständig für das Fach heterosexueller Proll-Liebhaber, Gelegenheits-DJ und gekonnter Selbstdarsteller ist tot. Und der Tod macht alle gleich - auch in einer evangelischen Trauerfeier.

Der Pfarrer hat jedoch vermutlich Hotte und "die Teufelsberger" nie auf der Bühne gesehen, sonst wäre ihm wahrscheinlich viel mehr eingefallen zu Wriedts Zweit-Ich als Goldkettchen tragender "Hotte", Ehemann der Neuköllner Hausfrau Edith Schröder. So bleibt es bei der Trauerfeier in Schöneberg aber nur beim Standard unter den Predigttexten beim Todesfall: "Ein jedes Ding hat seine Zeit" (Prediger 3,1-8).

Edith-Darsteller Ades Zabel, der langjährige Freund, mag nicht vorne sitzen, links von den Eltern. Und als der Pfarrer die "lieben Angehörigen" und Ades begrüßt, wandert dabei sein Blick ins Leere. Viele sind gekommen. Kollegen, Freunde. Tim Fischer, Holger Klotzbach von der Bar jeder Vernunft. Der Kellner aus dem "Roses", der sich neulich so fürsorglich um seinen völlig zugekifften Gast gekümmert hat, trägt einen stahlblauen Anzug. Auch sein Kollege vom "Kumpelnest" ist da: Der einzige taubstumme Barkeeper Berlins, der jede Bestellung aufs Wort versteht, schwätzt die ganze Zeit still gestikulierend mit seinem Freund. Neben ihm sitzt Hermouine Zittlau, Mitstreiterin aus frühen Teufelsberger Zeiten.

Zur Zeit arbeitet sie als Fußpflegerin, aber eigentlich ist sie doch Sängerin und Schauspielerin. Zu ihren raren Konzerten singt sie Phantasie-Folklore aus Harmoudistan, dem von ihr entdeckten Land der "Nachtschönheit". Tief schwarz sind ihre Augen geschminkt. Dazu die Lippen rot, die Wangen bleich. Das Make-up fällt auf.

Die meisten Schönen der Berliner Nächte lassen die Predigt nach dem Bibel-Text zivil und ungeschminkt über sich ergehen. So einmalig sind sie alle nicht, und war Hotte erst recht nicht, dass die Standard-Auslegung von dem Spruch mit der "Zeit für alles und jedes" nicht auch auf ihn passen würde, lautet die Botschaft an diesem Februarmorgen.

Am Grab spricht der Pfarrer das "Vater-Unser"; als letztes Solo an diesem Morgen. Hundert Meter weiter sind die Gebrüder Grimm begraben. Ein medial begabter Freund von Hermouine Zittlau, der Künstlerin mit der ausgedachten Folklore, hat da mal Elfen beim Unkrautzupfen beobachtet. Vielleicht haben sie ja auch auf Hottes Grab ein Auge.

Sebastian Schneller

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