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Berlin: Unentdeckter Entdecker

Das Naturkundemuseum präsentiert heute ein Buch über einen vergessenen Pflanzenjäger aus Potsdam.

Von Friedrich Sellow, der als einer der ersten Naturforscher Mitteleuropas Brasilien erkundete, gibt es ein einziges Bild. Lediglich eine Federzeichnung seines gelegentlichen Begleiters Prinz Maximilian zu Wied-Neuwied zeigt ihn auf einem Maultier an der Spitze einer kleinen Expedition am Paraíba-Fluss. Als jungen Zylinderträger, der scheinbar ohne Gefühlsregung auf einem für ihn etwas zu kleinen Tier sitzt. Ansonsten liegt die private Person Sellow fast völlig im Dunkeln. Auch in seinen zahllosen Arbeitstagebüchern findet sich kaum ein Wort über ihn.

Sellow wurde 1789 in Potsdam geboren, als Spross einer Dynastie von preußischen Hofgärtnern. Auch der junge Friedrich wurde zunächst Gärtner, um sich dann, unterstützt von Alexander von Humboldt, bei den bedeutendsten Botanikern seiner Zeit in England und den Niederlanden fortzubilden.

1807 überfiel Napoleon Portugal, worauf der portugiesische König mitsamt Regierung in die Kolonie Brasilien umzog. Dadurch wurde in den kommenden Jahren der Weg für europäische Naturforscher frei, Brasilien zu erkunden.

Ab 1814 erforschte auch Sellow Brasilien. Seine Heimat sollte er nie wiedersehen, da er 1831 bei einer Flussfahrt auf dem Rio Doce ertrank. In diesen Jahren sammelte Sellow eine Unzahl von Exponaten, die ganze Schiffe nach Europa füllten. Bei einem Mann, der sich selbst als „Pflanzenjäger“ bezeichnete, waren das in erster Linie florale Exponate. Aber auch das fossile Riesengürteltier, das bis heute im Berliner Naturkundemuseum aufbewahrt wird, ist ein Fang von Sellow.

Er selbst ist heute nahezu vergessen, da er seine Funde nie selbst katalogisieren konnte. Deshalb ist dem Galiani Verlag zu danken, die wichtigsten Forschungsleistungen und Entdeckungen Sellows, die vom Baumfarn über die zuvor unbekannte Pferdekopfheuschrecke bis zu Zeichnungen von Ureinwohnerschädeln reichen, gemeinsam mit Auszügen aus den Tagebüchern des verschlossenen Naturforschers zu präsentieren.

Überdies strotzt das Buch vor Illustrationen, die teilweise von Sellow selbst stammen. Seine Abbildung des Inneren eines Hauses von Coroado-Indianern etwa zeigt deutlich, dass es ihm auch dabei vorrangig um Akribie und Vollständigkeit und nicht um künstlerischen Ausdruck ging. Andere, meisterliche Werke wie der Sumpfhirsch von Martin Lichtenstein oder Jean Gabriel Prètres Savannenbussard entstanden im Museum anhand von Sellows in Brasilien gefangenen und ausgestopften Exemplaren.

Am heutigen Mittwochabend wird um 19 Uhr die Premiere des Buches im Berliner Naturkundemuseum gefeiert. Verleger Wolfgang Hörner wird den Abend im Sauriersaal moderieren. Nach einer Lesung von Ko-Herausgeber Hanns Zischler werden Autorin Sabine Hackethal und Mitherausgeber Carsten Eckert, der die Tagebücher Sellows für die Veröffentlichung aufbereitete, für Gespräche zur Verfügung stehen.

Für den Anlass werden Vitrinen mit Tagebüchern, Porträtzeichnungen, einem kleinen Gürteltier sowie präparierten Vögeln und Mineralien präsentiert. Nur das fossile Riesengürteltier bleibt in seinem eigenen Raum, lässt sich dort aber jederzeit bestaunen. Knud Kohr

Buchpremiere an diesem Mittwoch um 19 Uhr, Museum für Naturkunde, Invalidenstraße 43, Berlin-Mitte, Eintritt 3,50 / 2 Euro, Anmeldung erbeten unter Telefon (030) 2093-8550 oder besucherservice@mfn-berlin.de



— Hanns Zischler,

Sabine Hackethal, Carsten Eckert (Hrsg.):
Die Erkundung Brasiliens. Friedrich Sellows unvollendete Reise. Galiani Berlin, 256 Seiten,

39,99 Euro.

Knud Kohr

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