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Ismat Salib ist koptischer Christ aus Ägypten. Er lebt seit 14 Jahren in Deutschland.

©  Thilo Rückeis

Unruhen in Ägypten: In Gedanken in der Heimat: Die Skepsis bleibt

Er sieht die TV-Bilder aus Ägypten und fragt sich, was dort wohl kommt Wie sich der Berliner Kopte Ismat Salib um seine Heimat sorgt.

Er wäre kein gläubiger Mann, würde er die Hoffnung aufgeben. Ismat Salib ist 40 Jahre alt und hat warme, wache Augen. Er steht in seinem Geschäft „Cherubim“ in der Gersdorfstraße in Mariendorf. Um ihn herum ist alles übersichtlich sortiert und gestapelt: Kreuze, Ikonen und Heiligenfiguren, Rosenkränze, Weihwasserbecken und Kerzen. Ismat Salib ist einer von 400 bis 500 koptischen Christen in Berlin. Er kam vor 14 Jahren aus Ägypten, ist mit einer Deutschen verheiratet und froh, dass seine  Kinder, die 18 Monate alte Helena und der siebenjährige David, in Frieden und Freiheit aufwachsen können. Er ist angekommen in Deutschland. Und doch ist er in Gedanken oft bei seiner Familie in Ägypten: zunächst wegen des Anschlags auf eine koptische Kirche in Alexandria in der Silvesternacht, jetzt wegen der politischen Umwälzungen. Jeden Tag sieht er die Demonstranten im Fernsehen, brennende Häuser, Flammen.

„Mein Bruder erhofft sich durch die Proteste eine positive Wende auch für die Kopten in Ägypten“, sagt Salib. Er selbst sei da nicht ganz so optimistisch, er fürchte, dass die Muslimbrüder an die Macht kommen könnten, wenn es freie Wahlen geben sollte. „Sie haben großen Einfluss auf die ungebildete Bevölkerung, unter denen es sehr viele Analphabeten gibt. Das wäre für die Kopten verheerend.“ Aber er sehe im Fernsehen, dass sich auch viele Schriftsteller und Journalisten an den Protesten beteiligen, das lasse ihn hoffen.

Das Klima zwischen Muslimen und Christen sei nicht erst seit gestern schlecht. „Schon in den 70er Jahren wurden vor jeder Kirche Polizisten stationiert“, sagt Salib. Da war Hosni Mubarak noch nicht an der Macht. Die Kopten hatten Aufkleber mit dem Bild des Papstes Anba Schenuda III. an den Stoßstangen ihrer Autos, Muslime hingegen Aufkleber, die verkündeten: „Es gibt keinen Gott außer Allah“. Als Ismat Salib 13 Jahre alt war, gingen Schulfreunde ihm plötzlich aus dem Weg und grüßten ihn nicht mehr. Wenn er sie fragte, warum, sagten sie nur: „Es ist alles in Ordnung“. Sein Arabisch-Lehrer drangsalierte ihn, einmal drückte er Ismat Salibs Kopf mit dem Fuß gegen eine Wand. Der beschwerte sich beim Direktor. Ab da bekam er in Arabisch nur noch schlechte Noten, obwohl er die Sprache sehr gut beherrschte.

Er studierte Verwaltungswesen, hatte als Kopte aber keine Chance, eine Stelle als Beamter zu finden. Schließlich stellte ihn ein christlicher Unternehmer als Marketing-Leiter ein. Als er einmal als Reiseleiter jobbte, kam er vor 14 Jahren nach Berlin, wo er seine jetzige Frau Barbara kennenlernte – eine Katholikin aus der Nähe von Regensburg.

Sie unterstützte seine Idee, das „Cherubim“ zu eröffnen, mit der er schon lange gespielt hatte. Vor acht Monaten war es so weit. „Ich interessiere mich sehr für die christliche Religion“, sagt Ismat Salib und serviert Tee. „Sie gibt mir Kraft und tut mir gut, und ich möchte, dass sie auch anderen guttut.“ Die meisten seiner Kunden kommen hierher, wenn sie Geschenke für eine Taufe, eine Hochzeit oder eine Erstkommunion suchen.

Er selbst ist Mitglied der koptisch-orthodoxen Gemeinde Sankt Antonius und Sankt Shenouda-Kirche in Lichtenberg, wo er Messdiener ist und als Sonntagslehrer Kindern die Religion nahe bringt. Seit dem Anschlag in der Silvesternacht in Alexandria telefoniert Ismat Salib jeden zweiten Tag mit seinen Angehörigen in der Heimat, die immer wieder von Attentaten gegen Kopten berichten. „Man hört nur von Anschlägen in den großen Städten“, sagt Salib, „die anderen werden so gut es geht vertuscht“. Ob auch Ismat Salib Angst vor Anschlägen hat oder dass seinen Angehörigen durch die Proteste und Plünderungen etwas zustoßen könnte? „Ich fühle mich sehr sicher hier“, sagt er, „und egal, was passiert, ich glaube fest daran: Überall, wo ich bin, ist Gott dabei“.

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