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Berlin: „Unter Umständen überreagiert“

Es gibt reichlich nachvollziehbare Gründe dafür, dass Oliver Juhnke die Journalisten nicht mag. Er musste miterleben, wie sein Vater im Dschungel von Erfolg und Alkohol und Boulevardpresse allmählich zugrunde ging, und er wurde selbst zum Objekt spöttischer Schlagzeilen – ein notorisch erfolgloser Berufssohn, den sein verzweifelter Kampf gegen die Langeweile und den Schatten des berühmten Vaters immer wieder vor Gericht brachte.

Es gibt reichlich nachvollziehbare Gründe dafür, dass Oliver Juhnke die Journalisten nicht mag. Er musste miterleben, wie sein Vater im Dschungel von Erfolg und Alkohol und Boulevardpresse allmählich zugrunde ging, und er wurde selbst zum Objekt spöttischer Schlagzeilen – ein notorisch erfolgloser Berufssohn, den sein verzweifelter Kampf gegen die Langeweile und den Schatten des berühmten Vaters immer wieder vor Gericht brachte. Und möglicherweise war die familiäre Lage der Juhnkes besonders heikel, als im Mai 2001 eine Reporterin an der Gartenpforte klingelte und über die Gegensprechanlage fragte, ob sie ein Interview mit Susanne Juhnke führen dürfe? Ein paar Minuten später hatte sie Verletzungen an den Händen, ihr Diktiergerät lag auf dem Boden, sie war geschockt von einem Gerangel mit Oliver Juhnke und sah sich vulgär beleidigt.

Die Moabiter Strafrichterin, die den Fall gestern zu verhandeln hatte, hörte sich gut anderthalb Stunden die widerstreitenden Fakten an. Dann kündigte sie eine fünfminütige Pause an, die nach 45 Minuten vorüber war. Das Verfahren, sagte sie dann, werde eingestellt, wenn Juhnke 7500 Euro an das Berliner Kinderschutzzentrum zahle. Juhnke habe seinerzeit beim Betreuen seines Vaters unter erheblichem seelischen Druck gestanden und „unter Umständen überreagiert“. Juhnkes Verteidiger akzeptierte, nicht ohne pflichtgemäß darauf hinzuweisen, dass dies kein Schuldeingeständnis sei.

In der Verhandlung zuvor hatte die 52-jährige Journalistin Bärbel B. nicht den Eindruck einer skrupellosen Schlagzeilenjägerin gemacht. Sie ist freie Mitarbeiterin des „Neuen Blatts“ in Hamburg und war von ihrer Hohenschönhauser Wohnung nach Grunewald geschickt worden, weil Susanne Juhnke auf Anrufe und Faxe mit der Interviewbitte nicht reagiert hatte - ein letzter, wenig aussichtsreicher Versuch. Sie sammelte sich fünf Minuten, stieg aus dem Auto und klingelte an der Gegensprechanlage am Gartentor.

Unstrittig: Sie holte sich zwei Abfuhren und klingelte ein drittes Mal. Strittig: Hat Juhnke sie sehr bestimmt und, wie er zugibt, unhöflich, nach Hause geschickt? Oder hat er, wie sie sich erinnert, „Hau ab, du Schlampe, du Votze!“ gebrüllt? Ist er auf die Straße vor dem Haus gegangen, um ihr deutlich zu sagen, dass sie verschwinden solle? Oder lief er ihr nach, weil er durch das Fenster ihr Diktiergerät gesehen und gefürchtet hatte, seine Ausfälle seien mitgeschnitten worden?

Es kam zum Gerangel, das Diktiergerät fiel auf den Boden, „er hat es hingeschmissen“, sagte Bärbel B., „wie ein kleiner Junge seinen Bauklotz“. Nein, sagte Juhnke, er habe nur versucht, die Stoptaste zu drücken, um weitere Aufnahmen zu verhindern, und da sei es runtergefallen. Unsinn, sagte die Journalistin, sie habe nichts mitgeschnitten, was denn auch? Juhnke habe ihr das Gerät aus der Manteltasche gerissen, als sie ins Auto steigen und nach Hause fahren wollte.

Das Tonband jedenfalls bestand nach dem Vorfall aus Salat. Es wurde notdürftig zusammengeflickt, und die Polizei stellte später fest, dass nur ein Interview mit Horst Buchholz drauf war, sonst nichts. Auch sonst keine weiterführenden Indizien, nur die präzisen Erinnerungen der Journalistin, die mit Unterstützung ihres Verlags auch als Nebenklägerin auftrat.

Juhnke - grauer Anzug, zurückgegeltes Haar, Beruf „Filmkaufmann“ – stritt zwar ab, schien das Gericht aber eher durch prägnante Gestik überzeugen zu wollen. Er lächelte süffisant, sah die Journalistin provozierend an, legte den Kopf seufzend auf die Hände und holte schließlich zu einem letzten Scherz aus: Ob denn die Rechte für die Geschichte der Zeugin noch zu haben seien? Die könne man ja glatt verfilmen.

Nun fehlt dafür freilich das klare Ende. Bärbel B. mochte sich noch nicht festlegen, ob und in welchem Umfang sie zivilrechtlich vorgehen wolle, sie stimmte aber dem Vorschlag der Richterin zu. 7500 Euro scheinen für Juhnke ein ganzer Haufen Geld zu sein - er hat jetzt sechs Monate Zeit zum Zahlen.

Bärbel B., die eine schmerzhafte Zerrung des Daumens erlitt und einen Monat lang eine Schiene tragen musste, hat indessen gleich nach dem Vorfall eine Konsequenz gezogen. Sie habe es noch nie gemocht, unangemeldet bei Fremden zu klingeln, sagte sie. Nun werde sie es, sagte sie gestern, überhaupt nicht mehr tun. Bernd Matthies

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