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Im März wurde die 14-jährige Keira aus Hohenschönhausen mit zahlreichen Messerstichen ermordet.

© Arne Immanuel Bänsch/dpa

Urteil in Berliner Mordprozess: Neun Jahre Jugendstrafe für Keiras Mörder

Seine Tat war geplant, befand das Gericht. Am Donnerstag erging das Urteil gegen den 15-Jährigen, der seine Mitschülerin Keira in deren Wohnung erstach.

Die Mutter verließ den Saal äußerlich gefasst. Neun Jahre Haft für den 15-Jährigen, der ihre 14 Jahre alte Tochter Keira erstochen hatte. Aus „reiner Mordlust“, so das Landgericht am Donnerstag. Es sei ihm darum gegangen, „jemanden zu töten und zu sehen, ob er das aushält“. Karin G., die Mutter, trat vor die Mikrofone. Das Urteil sei zwar gut nach den Möglichkeiten des Jugendstrafrechts. Doch andererseits: „Ich fand meine Tochter geknebelt und blutüberströmt vor der Couch. Da sind neun Jahre nicht ausreichend.“

Zwei Monate wurde hinter verschlossenen Türen verhandelt. Ein Fall, der bundeweit für Entsetzten sorgte. Tötete der Teenager aus Freude daran, ein anderes Leben zu vernichten? Das Mordmerkmal der Mordlust kommt in der Praxis höchst selten vor. Hannes (Name geändert) zog seine Kapuze tief ins Gesicht, als der Prozess begann – nicht öffentlich, weil er erst 15 ist. Der Jugendliche, der ihr einziges Kind umgebracht hat, soll sich lässig gegeben haben. Und wohl besonders schwer für Karin G. zu ertragen: Die Mutter des Täters hielt dem Sohn immer wieder die Hand. 

Plastik-Kopfhaube, Gummihandschuhe und Überzieher für die Schuhe

Keira und Hannes kannten sich. Beide besuchten die Schule im Grünen Campus Malchow in Lichtenberg. Sie in der 8e, er in der neunten Klasse. Keira schwärmte etwas für ihn. Wenn sie ihrer Mutter von ihm erzählte, dann nannte sie ihn auch einen Bruder. „In ihrem Zimmer hing ein Bild von ihm“, so die 41-jährige Mutter.

Der 7. März 2018. Hannes wollte Keira in Alt-Hohenschönhausen besuchen, wo sie mit ihrer Mutter wohnte. „Für Schulaufgaben“, so die Mutter. Es war ein Vorwand. „Er hatte die Tat aus Sicht des Gerichts kalkuliert und geplant“, sagte nun Gerichtssprecherin Lisa Jani nach dem nicht öffentlichen Urteil.

Eine Plastik-Kopfhaube, Gummihandschuhe und Überzieher für die Schuhe soll er eingepackt haben, um keine Spuren am Tatort zu hinterlassen. Und er hatte ein Küchenmesser dabei. Gegenüber Freunden soll er sich zuvor damit gebrüstet haben, das er jemanden töten werde. Mitschüler hätten E., dessen Idol der böse „Joker“ -  der filmische Gegenspieler von Batman - war, teilweise als Spinner angesehen.

Gericht nannte Geschichte des 15-Jährigen eine "Erfindung"

Er stach auf Keira ein. Erst in den Hals. Dann auf ihren Körper. Insgesamt 23 Stiche. Drei davon waren tödlich. Als Karin G. von der Arbeit kam, fand sie ihre Tochter. Rettungskräfte kämpften 90 Minuten lang um das Leben der 14 Jahre alten Schülerin. Doch Karin G. verlor ihre geliebte Tochter.

Einen Tag später wurde Hannes in seinem Elternhaus festgenommen. Er gestand die Stiche. Die Frage nach seinem Motiv aber blieb offen. Er sagte bei den Ermittlern, Keira habe „es gewollt“.  An der Version angeblicher Suizidgedanken der talentierten Eisschnellläuferin hielt er den Angaben zufolge auch im Prozess fest: Er habe sie eigentlich nicht töten wollen, er habe im Streit um ihr Handy zugestochen. Warum 22 Stiche folgten? Er sei dann in einem Blutrausch gewesen – „man weiß nicht, was man macht“, soll der Angeklagte erklärt haben.

Die Richter nannten seine Geschichte eine „Schutzbehauptung“ und eine „Erfindung“. Das Mädchen habe sich nicht töten lassen wollen. Dafür gebe es überhaupt keinen Anhaltspunkt. Davon war auch die Staatsanwaltschaft ausgegangen. Sie plädierte auf eine Jugendstrafe von neun Jahren und zehn Monaten. Einer der Verteidiger sprach von Tötung auf Verlangen und forderte dreieinhalb Jahre Haft. Der zweite Anwalt verlangte wegen eines minderschweren Falls eines Totschlags fünf oder sechs Jahre Gefängnis.

 Begutachtung durch Psychiaterin verweigert

Während die Mutter beim Urteil ein Kuscheltier ihres toten Kindes fest in der Hand hielt, blieb Hannes regungslos. „Er verzog nicht eine Miene“, sagte Nebenklage-Anwalt Roland Weber. Der 15-Jährige hatte eine Begutachtung durch eine Gerichtspsychiaterin verweigert, keinen Blick in seine Seele zugelassen. Nach Akten soll er bereits in der Schule auffällig gewesen sein. Mit Gewaltphantasien, wie eine Zeichnung belegen soll. „Es ist um ihn höchst bedenklich bestellt“, so Weber.

Karin G. war an jedem Verhandlungstag im Gerichtssaal. Wie sie ihre Zukunft sieht? „Ich plane nicht mehr voraus“, sagte sie in die Mikrofone. „Niemand und nichts kann mir meine Tochter zurückbringen.“ Jeden Tag gehe sie auf den Friedhof. „Wir hatten ein sehr inniges Verhältnis.“ Sie trage Kleidungsstücke ihrer Tochter. Einen Schal oder eine Hose. Hass und Wut auf den Täter spüre sie eigentlich nicht. Eher auf andere Personen. „Ihm wurden wohl nicht die richtigen Werte mitgegeben.“ Nach dem Urteil traf sich die Mutter mit guten Freunden. Der Richterspruch ist noch nicht rechtskräftig.

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