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Urteil: Täter im Talar

In einem Prozess rief der Verteidiger Rainer Elfferdings dem vorsitzenden Richter "Scheiß Nazi Pack" hinterher und landete selber vor Gericht. Sein Aussage: Er stehe dazu und halte es nach wie vor für richtig. Das Gericht verurteilte ihn zu einer Geldstrafe.

Besonders schuldbewusst wirkte der Angeklagte nicht. „Ich bin ein Mann des Wortes“, sagte der Mann mit Vollbart und schulterlangen Haaren. Niemand im Saal hatte Zweifel daran. Rainer Elfferding, 61 Jahre alt, ist seit 35 Jahren Rechtsanwalt. Er wurde als linker Verteidiger bekannt. Einer, der scharfzüngig argumentieren kann. Doch in einem Prozess gegen drei mutmaßliche Räuber griff er in die unterste Schublade. „Scheiß Nazi-Pack“, rief er dem Vorsitzenden Richter hinterher.

„Ich stehe dazu und halte es nach wie vor für richtig“, erklärte Elfferding gestern vor einem Amtsrichter. Eine Beleidigung aber sei die Äußerung nicht gewesen. Es sei ihm nicht um die Person, sondern um die Verhaltensweise gegangen. Das, was sich am 23. August letzten Jahres im Saal 500 abspielte, sei unmöglich gewesen. Einer der drei Angeklagten sei wegen starker Rückenschmerzen auf einer Trage ins Gericht gebracht worden, die zu ebener Erde abgestellt wurde. „Er war an Händen und Füßen gefesselt, zusätzlich mit zwei Gurten festgeschnallt.“ Später habe eine halb mit Urin gefüllte Flasche direkt daneben gestanden. „Das war menschenunwürdig, nicht auszuhalten.“

Für Elfferdings Wut hatten viele Verständnis. Doch erlaubt das eine derartige Reaktion? Elfferding berichtete von Turbulenzen auf der damaligen Verteidigerbank, von Auseinandersetzungen mit dem Gericht. Die Richter seien aufgestanden. In ihrem „Entschwinden“ habe er dann „Nazi-Pack“ gerufen und damit klarmachen wollen: „Wehret den Anfängen.“ Er wolle nicht sagen, dass der Vorsitzende Richter, den die Äußerung treffen sollte, ein Nazi ist. „Dafür kenne ich ihn viel zu wenig.“

Elfferding war Verteidiger in spektakulären Prozessen. Er vertrat unter anderem den Attentäter Johannes Weinrich, der früher als rechte Hand des Topterroristen „Carlos“ galt. Weinrich verbüßt seit Januar 2000 eine lebenslange Haft wegen des Anschlags auf das französische Kulturzentrum Maison de France 1983 im damaligen Westberlin. In einem zweiten Prozess um mehrere Bombenattentate in Frankreich wurde Weinrich im August 2004 aus Mangel an Beweisen freigesprochen.

„Der Angeklagte ist ein erfahrener Strafverteidiger“, sagte nun der Amtsrichter. Die subjektive Empörung im Prozess gegen das mutmaßliche Räubertrio mit einem Mann auf der Trage sei die eine Seite. Doch das, was Elfferding dem Richter hinterher rief, sei „eine Beleidigung, die nicht durch Wahrnehmung berechtigter Interessen gedeckt ist“. Gegen Elfferding erging eine Geldstrafe von 1050 Euro. Beendet aber ist das Verfahren nicht. Der Verteidiger des angeklagten Verteidigers kündigte Rechtsmittel an. Kerstin Gehrke

Kerstin Gehrke

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