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Blick auf die US-Botschaft im Berliner Regierungsviertel

© dpa

US-Botschaft in Berlin: "Die Amis sind wie die Stasi - nur mit Technik"

Ein Zentrum amerikanischer Spione? Oder immer noch ein Haus der Freunde? Am Brandenburger Tor, vor der US-Botschaft in Mitte reagieren die Menschen mit Misstrauen auf die neusten Enthüllungen in der NSA-Affäre – und mit dunklen Erinnerungen.

Immer wieder bleiben Menschen auf dem Pariser Platz stehen. Sie neigen ihre Regenschirme, um skeptisch auf die sandsteinfarbene Fassade der US–Botschaft zu blicken. Ein Spionage-Nest, das die Bundeskanzlerin überwacht? Direkt hier, am Brandenburger Tor? Hilflos wirken die Leute, manche sind wütend. Doch protestieren will keiner. „Es ist unverschämt, wenn die uns wirklich von hier aus überwachen“, sagt Jürgen Körner. Der 47-Jährige ist zu Besuch aus Baden-Württemberg; er fragt sich: „Aber was kann man machen?“

Zuneigung und Misstrauen, Dankbarkeit und Ärger kommen vor der US-Botschaft zusammen. Befreiung hin, Bespitzelung her: Alle gegenläufigen Gefühle, von denen die deutsch-amerikanischen Beziehungen geprägt sind, ballen sich hier am Brandenburger Tor.

Auf dem Pariser Platz wird die versöhnliche Vergangenheit gefeiert. Dort stehen zwei junge Afro-Amerikaner, beide in Uniform, der eine mit sowjetischer, der andere mit amerikanischer Fahne. Fröhlich fordern die beiden Schauspielschüler die Touristen auf, sich mit ihnen ablichten zu lassen. Alliierten-Sentimentalität für zwei Euro: Fünf Posen, fünf Fotos.

Wie fühlt es sich an, ein solches Gebäude zu schützen?

Nur weniger Meter entfernt symbolisiert die zweite US-Flagge am Platz die gegenwärtige amerikanische Präsenz. Vor der Botschaft der Vereinigten Staaten, im Nieselregen zwischen den Betonpfeilern, laufen zwei Polizisten auf und ab. „Ich bin erstaunt, dass es trotz der Berichte hier so wenig Protest gibt. Ich hätte auf jeden Fall mit mehr Stimmung gerechnet“, sagt einer der beiden. Seinen Namen kann er nicht nennen. Doch seine Einschätzung trifft zu: Außer Touristen, Velo-Taxis und einem Übertragungswagen am Rande des Platzes ist nicht viel los. Vor ein paar Wochen seien noch mehr Filmteams hier gewesen, erzählt der Polizist. Wie fühlt es sich an, solch ein Gebäude zu schützen, aus dem heraus vermutlich die deutsche Bundeskanzlerin überwacht wird? „Der Gedanke ist schon komisch“, sagt der Polizist.

Er schweigt einen Moment und lässt seinen Blick über den Platz schweifen. „Wissen Sie“, bricht es plötzlich aus ihm heraus, „ich war Vopo in der DDR. Wenn man jetzt von dieser Überwachung hört, kommen Erinnerungen an die Zeit damals hoch, als jeder jeden ausspioniert hat.“ Nach der Wende seien die Kollegen „gegauckt“ und auf ihre Vergangenheit überprüft worden, erinnert er sich. Manch einer, von dem man es nie gedacht hätte, sei aufgeflogen als Spitzel. „Und jetzt muss man wieder aufpassen, was man sagt? Mit wem man spricht? Im Prinzip sind die Amis wie die Stasi, nur machen sie es halt mit Technik.“

"Riesiger Vertrauensbruch"

Wenige finden an diesem Vormittag in Berlin so klare Worte. Die meisten Flaneure zeigen sich resigniert angesichts der immer größer werdenden NSA-Affäre. Mit Vater, Mutter und erwachsener Tochter kommt Familie Schubert aus Kiel vor der amerikanischen Vertretung zum Stehen, zückt die Kamera. „Wir wären glatt an der Botschaft vorbeigegangen“, erzählt Cornelia Schubert, „wenn wir nicht gerade heute im Frühstücksfernsehen die Bilder gezeigt bekommen hätten. Dadurch waren wir sensiblisiert.“

Wie ist es, nun selbst hier zu stehen? „Mir wird noch mal viel stärker bewusst, was für ein riesiger Vertrauensbruch das ist“, sagt Schuberts Tochter. Aber aufgebauscht sei es schon, fährt die Mutter dazwischen. Sei doch alles nicht neu: „Erst seit es Angie selbst betrifft, ist das Thema wieder so groß geworden.“ Jetzt müssten sie aber weiter, schließlich regne es, sagen die Schuberts, ziehen von dannen. Nur bei den falschen Soldaten, da halten sie noch einmal an, für ein Foto mit US-Flagge.

Karoline Kuhla

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