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Streit um Sparpläne der Bildungsverwaltung: Berliner SPD attackiert Koalitionspartner CDU – Senatorin sieht „keinen Spielraum“
Die Kürzungspläne der CDU-geführten Bildungsverwaltung sorgen für heftigen Streit in der schwarz-roten Koalition. Auslöser ist das drohende Aus für Projekte gegen Antisemitismus.
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Die Sparpläne der CDU-geführten Berliner Bildungsverwaltung haben einen offenen Streit in der schwarz-roten Koalition ausgelöst. SPD-Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe zeigte sich am Donnerstag „verärgert“ über das Vorgehen des Koalitionspartners und erklärte, dieses sei weder mit ihr noch der SPD-Fraktion abgesprochen gewesen. „Ich kann nicht nachvollziehen, weshalb jetzt hier Fakten geschaffen wurden“, erklärte Kiziltepe.
Deutlich heftiger attackierte der SPD-Abgeordnete Alexander Freier-Winterwerb den Koalitionspartner. „Was die Senatorin hier vorlegt, ist ein Frontalangriff auf das soziale Herz Berlins“, sagte er mit Blick auf die Kürzungen im Bereich der Antisemitismusprävention.
„Das ist nicht nur verantwortungslos, sondern brandgefährlich“, sagte er und warf der Bildungsverwaltung vor, mühsam aufgebaute Strukturen der Präventionsarbeit, sozialen Unterstützung und kulturellen Teilhabe zu „zerstören“.
Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) verteidigte die Sparliste am Donnerstagnachmittag. Sie müsse bei den Projekten kürzen, um nicht bei den Lehrerstellen Geld streichen zu müssen, erklärte sie im Bildungsausschuss des Abgeordnetenhauses. Da die SPD nicht wolle, dass beim Schulessen gespart wird, habe sie keinen Spielraum, ergänzte Günther-Wünsch.
Antisemitismus-Projekte, Queer-Projekte und die Urania betroffen
Übereinstimmend hieß es, die am Donnerstagmorgen durch den Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint öffentlich gewordenen Sparbeschlüsse seien koalitionsintern nicht abgestimmt gewesen. Tagesspiegel-Informationen zufolge konnten sich CDU und SPD zuletzt trotz intensiver Verhandlungen nicht einigen, wie genau der bis dato nicht aufgelöste Sparbetrag innerhalb des Bildungsbudgets verteilt werden soll. Mit der Liste hat die Bildungsverwaltung diesem Prozess nach Darstellung der SPD ein jähes Ende gesetzt.
Auslöser für die Eskalation sind – neben schmerzhaften Einschnitten etwa bei der Urania oder zahlreichen queeren Projekten – Kürzungen im Bereich der Antisemitismusprävention. So wurde den Projekten Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (Kiga) und „meet2respect“ ab dem 1. April die Mittel komplett gestrichen. Beide erfuhren nach eigener Darstellung am Mittwoch von der Entscheidung und müssen nun kurzfristig Mitarbeitende entlassen. Die ohne Begründung verfassten Informationsschreiben der Bildungsverwaltung liegen dem Tagesspiegel vor.
Wenig plausibel erscheint das Vorgehen auch mit Blick auf die Kiga. Deren Chef Derviş Hızarcı wurde noch vor wenigen Monaten durch Berlins Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) für seinen langjährigen Einsatz gegen Antisemitismus mit dem Verdienstorden des Landes Berlin ausgezeichnet. Die Fortsetzung der Förderung für die Kiga galt damals als unstrittig und war Hızarcı aus Spitzenkreisen der Koalition versichert worden.
SPD-Politikerin nennt Sparpläne „politisch motiviert“
Maja Lasić, bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, erklärte dazu: „Hinter den nun einseitig beschlossenen Sparplänen muss eine politische Agenda stehen, sie sind politisch motiviert. Das missbilligen wir.“
Zumindest die Kiga ist durch die nun vorgesehene Streichung der Mittel in ihrer Existenz nicht gefährdet. Sie finanziert sich zu großen Teilen aus Bundesmitteln und Geldern der Lotto-Stiftung. Aus der Lotto-Stiftung flossen 2020 rund 600.000 Euro. Im Jahr 2024 folgten 920.000 Euro.
Allerdings stellte Derviş Hızarcı auf Anfrage klar, dass die Lotto- und Landesmittel auf andere Projekte bezogen seien und nicht für Unterrichtsbesuche genutzt werden könnten. So seien die insgesamt 920.000 Euro für so genannte Dialogräume in den Jahren 2025 bis 2027 bewilligt worden.
Warum Lotto-Gelder liegen blieben
Nach Informationen des Tagesspiegels gibt es aus der Lotto-Stiftung aber Kritik an der Kiga. Es seien Auflagen nicht gehalten und Rückfragen ignoriert worden, hieß es. Hızarcı erläuterte dazu auf Anfrage, dass es pandemiebedingt nicht möglich gewesen sei, die 600.000 Euro im Jahr 2020 für eine aufwendige Ausstellung in Zusammenarbeit mit Israel zu verausgaben. Der 7. Oktober 2023 wiederum habe die wieder aufgegriffenen Planungen abermals erschwert. Das Projekt werde aber in anderer Form nachgeholt.
Berlin zerstört eine Institution, die es seit 1888 gibt.
Johanna Sprondel, Direktorin der Urania
Johanna Sprondel, Direktorin der Urania, der die kompletten Landeszuschüsse über 950.000 Euro im Jahr 2025 gestrichen werden sollen, reagierte am Mittwochabend im Gespräch mit dem Checkpoint schockiert und erklärte: „Berlin zerstört eine Institution, die es seit 1888 gibt.“
Das Haus versteht sich als Bildungsinstitution, die leicht zugängliche Angebote zur Wissensvermittlung für alle Berliner macht. „Das ist Volksbildung, das ist direkte Demokratieförderung“, sagt Sprondel. „Schalten Sie den Fernseher an und dann fragen Sie sich, ob Sie an dieser Stelle wirklich sparen wollen.“
Weitere Kürzungen der Bildungsverwaltung betreffen unter anderem die Landeszentrale für politische Bildung (200.000 Euro), die WIPA GmbH, die Kurse in der beruflichen Bildung anbietet (600.000 Euro) und die Deutsche Kinder und Jugendstiftung (218.342 Euro). Queere Bildungsprojekte wie die Fachstelle für Queere Bildung (446.960 Euro) oder die Beratungsstelle Queer Leben verlieren ihre gesamten Zuschüsse.
Am Samstag wird demonstriert
Auch in den Bereichen Wissenschaft und Kultur sorgen die Sparankündigungen des Senats für Unruhe. Die Berliner Hochschulchefs kritisierten den Senat scharf für den erneuten Budget-Einschnitt. Intendantinnen und Leiter der großen Bühnen trafen sich am Donnerstagmorgen mit Senatschef Wegner im Roten Rathaus.
Am Samstag wollen Initiativen, Gewerkschaften, Verbände und betroffene Projekte gegen die Kürzungspolitik des Berliner Senats demonstrieren. Die Demo soll ab 14 Uhr vom Roten Rathaus zum Brandenburger Tor ziehen. Angemeldet sind 10.000 Teilnehmende. Das Motto: „Berlin ist unkürzbar“.
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