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Verbot von Islamisten-Demo aufgehoben: „Ein Kalifat hat in Deutschland nichts verloren“ – Wegner stützt Kritik der Polizeichefin an Gericht
Die Polizei wollte die Kundgebung eines Islamismus-Influencers verbieten, scheiterte aber vor Gericht. Nun will Senatschef Wegner das Versammlungsrecht ändern.
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Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik Meisel lässt sich selten zur Schelte anderer Institutionen oder Gewalten wie Justiz und Parlament verleiten. Oft sagt sie, es stehe ihr nicht zu, das Handeln anderer Behörden zu bewerten. Doch nachdem das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) das von der Polizei verhängte Verbot einer islamistischen Demonstration von Anhängern eines Nahost-Kalifats zur Vernichtung Israels am Sonnabend aufhob, konnte Slowik Meisel nicht anders.
„In den siebeneinhalb Jahren im Amt als Polizeipräsidentin hat mich noch nie eine gerichtliche Entscheidung so geschmerzt“, sagte Slowik. Am Montag bekam die Polizeipräsidentin Rückendeckung vom Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU).
Er begrüße ausdrücklich, dass die „Versammlungsbehörde alles unternommen hat, um diesen Aufmarsch zu untersagen“, sagte Wegner. Umso unverständlicher sei es, dass das Oberverwaltungsgericht diese Entscheidung wieder aufgehoben habe. „Ein Kalifat – und die damit verbundene Ideologie – ist mit unserem Rechtsstaat und der freiheitlichen-demokratischen Grundordnung unvereinbar und hat in Deutschland nichts verloren.“
Wegner will islamistische Aufmärsche verbieten
Er sieht nun Innensenatorin Iris Spranger (SPD) am Zug: „Wie in den Richtlinien der Regierungspolitik festgeschrieben, muss der Begriff der öffentlichen Ordnung wieder ins Versammlungsfreiheitsgesetz festgeschrieben werden.“
Rot-Rot-Grün hatte den Begriff gestrichen, obwohl das Bundesverfassungsgericht Auflagen für Versammlungen auf Verstöße gegen die öffentliche Ordnung gestützt hatte. Es handelte sich um die ungeschriebenen sozialen und ethischen Regeln des Zusammenlebens – ein sogenannter Auffangtatbestand, mit dem die Polizei flexibler reagieren konnte. Wegner sagte: „Die Innenverwaltung sollte jetzt prüfen, welche Änderungen notwendig sind, um Aufmärsche dieser Art künftig wirksam zu verhindern.“
Angemeldet hatte die Versammlung am Sonnabend der islamistische Influencer Ahmad Tamim. Er ist einer der Köpfe der Gruppe „Generation Islam“. Der Verfassungsschutz zählt sie zum Umfeld der 2003 verbotenen „Hizb ut-Tahrir“-Partei (HUT), die einen Kalifenstaat nach frühislamischem Vorbild anstrebt. 2024 hielt Tamim ein öffentliches Gebet auf dem Alexanderplatz ab und sagte: „Ya Allah, vernichte jeden Ungerechten, wo immer er auch sein möge auf dieser Welt, der Israel zur Seite steht.“
1500 Menschen nahmen an der Kundgebung am Sonnabend vor der ägyptischen Botschaft teil. Dazu aufgerufen hatten verschiedene salafistische, pro-palästinensische und antiisraelische Influencer mit hoher medialer Reichweite. Die Versammlung stand unter dem Motto „Schutzkampagne für Gaza“. Die Teilnehmenden waren nach Geschlechtern getrennt, die Frauen mit Kopftuch musste am Rand bleiben. Immer wieder riefen die Protestierenden „Allahu Akbar“. Es waren Schahada-Fahnen mit dem Glaubensbekenntnis des Islam zu sehen.
Redner erinnert an den „Plan Allahs“
Tamim rief in seiner Rede Ägyptens Militär auf, für die „Helden in Gaza“ gegen Israel einzugreifen. Er forderte eine „Intervention der regionalen Streitkräfte in Gaza“ und eine „Armee der Muslime“, in der die islamische Welt vereint sei. Ägypten müsse die Chance ergreifen, den „Plan Allahs auszuführen“, denn „er hat euch ausgewählt“.
Ägyptens Regierung warf Tamin Untätigkeit vor: „Wenn ihr nicht auszieht, um eure Brüder zu schützen, wird Allah euch strafen.“ Er erinnerte an „Ehre“ und „Männlichkeit“ und sagte: „Schämt ihr euch nicht? Sind keine Männer mehr da?“
Immer wieder fiel das Wort „Ummah“, die Gesamtheit aller Muslime, der sich jeder zu unterwerfen haben. Auf den Plakaten der Teilnehmer war zu lesen, was damit gemeint ist: Ein Kalifat im Nahen Osten, kein Staat im modernen Sinne, sondern eine Herrschaft der Religion – mit der Scharia als oberstes Gesetz. Das bedeutet: Für Israel wäre kein Platz mehr.
Lieber Gottesstaat statt parlamentarischer Demokratie
Von Ausschreitungen bei anderen Pro-Palästina-Demos distanzierte sich Tamin nicht. Die Polizei vermerkte, dass er wiederholt mit „verfassungsfeindlichen und gewaltverherrlichenden Aussagen“ aufgefallen sei. In seinen Videos habe er aufgerufen, sich von der „Vasallenherrschaft“ des „Unrechtsregimes“ des „Zionistengebildes“ Israels zu befreien sowie für den Sieg (oder die Ehre) des Glaubens mit Gewehr und Messer zu kämpfen. Man müsse die „Ungerechten“, die Israel unterstützen, vernichten und erniedrigen. Demokratie lehne der Islamist ab, in seinen Videos wende er sich gegen Teilnahme an Wahlen und die Gesetzgebung durch Parlamente.
Dem Verwaltungsgericht reichte das. Mit Auflagen ließe sich angesichts der ideologischen und strafbewehrten Ziele der Versammlung eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit nicht abwenden. Deshalb sei das Verbot rechtmäßig. Das OVG sah das anders. Über die Gefahrenprognose der Polizei entschieden die Richter dort gar nicht erst. Die Polizei habe nicht dargelegt, dass durch konkrete Auflagen als milderes Mittel Gewalt oder verbotene Parolen unterbunden werden könnte.
Die von der Polizei mit 600 Beamten begleitete Kundgebung verlief friedlich. Jetzt prüfen die Beamten beim Staatsschutz die Rufe und Reden bei der Demonstration auf strafbare und volksverhetzende Aussagen. Das Ergebnis ist offen.
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